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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Kleine Kunstnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0488

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Kleine Kunst-Nackrichten.

rischen Form zugrunde liegenden Wirklichkeitsform
zu erkennen glaubt. Und weiterhin unterscheiden
sie sich dadurch, dag hier eine Reife der hand-
werklichen Fertigkeit gewonnen ist, die weiteste
Beachtung verdient.

Auger Nauen haben noch von Bochmann und
Eugen Kampf esthnische und flandrische Landschaften
zur Ausstellung gebracht. Eugen Kampf kann, so
scheint es wenigstens, alles, was er will. Er malt
einmal altmeisterlich, dann wieder mehr impressio-
nistisch, einmal in aufgelösten Formen, wieder einmal
in völlig gebundenen, grogzügigen Stilisierungen.
Die legten Landschaften besigen seltsame Ton-
abstufungen, die impressionistisch wild und unver-
mittelt in die mit grogen Linien umrahmten Einzel-
flächen hineingesegt sind. Mit von Bochmann steht
es insofern anders, als er seine Eigenart in sich
selbst entwickelte, gewissermagen nicht nach rechts,
nicht nach links sah, nur in seiner altmeisterlichen
Gebundenheit in schweren braunen Tönen Raum und
Körper in dramatischer Bewegtheit sieht. So gelingt
es ihm, mit überlegener Kunst der Darstellung be-
wegter Geschehnisse einen in dramatischer Gegensäg-
lichkeit wurzelnden Formeindruck abzugewinnen, l.
P,

JUSTUS BRINCKMANN j- Mit Justus Brinckmann
starb den deutschen Kunstfreunden einer ihrer
Stammväter. Vor der Zeit dieses, fast zum My-
thos gewordenen Mannes gab es in Deutschland
kaum jene Menschengattung, die während der leg-
ten Jahrzehnte für die Entwicklung des deutschen
Kunstlebens so überaus fördernd und gestaltend
gewesen ist. Brinckmann war ein Pionier, ein
Propagandist und ein Organisator. Er war, sam-
melnd und ordnend, erkennend und zusammen-
fassend , ein Genie. Das Museum, wie er es
wollte, war kein kalter Aufbewahrungsraum für
Gestorbenes ; wenn er die Zeugen lebensstarker
Vergangenheit nebeneinander reihte, so sollte da-
durch die Gegenwart schöner, reicher und zeugungs-
fähiger werden. Das „Hamburgische Museum für
Kunst und Gewerbe", das Brinckmann anfangs der
siebziger des vorigen Jahrhunderts schuf, und das
er mit rastloser Empfänglichkeit, nur höchste Qualität
zulassend, ausgestaltete, war keinen Augenblick
eine Registratur toter Gelehrsamkeit. Brinckmann
sammelte, weil er ohne diese Geschöpfe der Ver-
gangenheit, die Schränke der Renaissance, die
Truhen der niederelbischen Bauern, die Fayenceöfen
der hamburgischen Töpfer, nicht zu leben vermochte.
Brinckmann hat anregend gewirkt; in der Fest-
schrift, die ihm 1902, nach fünfundzwanzig Jahren
wütiger, beutemachender Arbeit überreicht wurde,
versammelten sich alle die Vorkämpfer, die der Kunst
in das Herz des mechanisierten Deutschlands den Zu-
tritt erzwangen: Alfred Lichtwark, Schnütgen, Wolde-
mar von Seidlitz, Graul, Deneken, Trenkwald, Peter

Jessen, Otto Kümmel, Robert Mielke und viele
andere. Alles Leute,, denen die Kunst mehr ist,
als ein Gegenstand des Wissens, Leute, die der
Schönheit bedürfen wie einer nährenden Speise.
Der kühnste und leuchtendste aus dieser Schar
der Apostel, Lichtwark, der seinem Meister um
ein Jahr in den Tod vorausging, veröffentlichte in
dieser Festschrift Brinckmanns Lebensgeschichte:
den klassischen Bericht von den gelassen vollführten
Heldentaten eines Mannes, der durch Instinkt und
Willen zahllose Jahre an seinem Werke baute und
am Abend in unverwüstlicher Jugendlichkeit nach
neuen Zielen ausblickt. Brinckmann ist nie alt
geworden; es wirkte wie ein Phänomen, den
massigen, temperamentvoll bewegten Körper, das
blutvolle, eisbärtige Gigantenhaupt auf den euro-
päischen Auktionen auftauchen zu sehen. Brinck-
manns Leben war eine einzige, viel bewegte Reise
durch Länder und Zeiten, ein Erobern, ein Auf-
spüren des Verborgenen und Werdenden, ein
lachendes, buntes Raubritterleben in den weitge-
grenzten Reichen der schönen und seltenen Dinge.

Als ein Naturforscher hat Brinckman begonnen;
Pflanzen, Insekten und Seesterne sammelte und
zeichnete, ordnete und begriff er schon als Knabe.
Dann geriet er an die Pfahlbauten und Gletscher-
ablagerungen; er entdeckte einen Urnenfriedhof.
In Ägypten reizten ihn die Pflanzen- und Tier-
darstellungen auf den Denkmalen; naturforschend
kam er zur Kunst. Die ruhig wägende, Klarheit
begehrende, unsentimentale, die Zusammenhänge
suchende Methode kennzeichnet sein Arbeiten bis
zur legten Stunde. Die naturgetreuen Darstellungen
in dem Bronzewerk der Japaner lockten ihn als
einen der ersten Deutschen, die Schäge Ostasiens
zu sammeln. Das Hamburger Museum erhielt eine
umfangreiche und doch durchaus gewählte Kollektion
japanischer Stichblätter zu einer Zeit, da sonst in
Deutschland kaum irgend jemand die Geheimnisse
Japans aufzuspüren suchte. Anfangs mugte sich
Brinckmann mit der Naivität des Naturfreundes
begnügen, diese Stichblätter nach den Motiven,
nach Chrysanthemen und Kirschen, Pflaumen und
Kiefern, Drachen und Löwen zu reihen; bald trieb
es ihn aber, auch hierfür die höhere Ordnung zu
suchen, die Geschichte der Meisterfamilien, die Spu-
ren einer fünfhundertjährigen Entwicklung. Ohne
Brinckmann hätte die deutsche Erforschung der
ostasiatischen Kunst wohl noch lange auf sich
warten lassen. Ohne ihn wäre auch manche
versteckte niederdeutsche Kunst verborgen ge-
blieben. Er entdeckte die Heimat wie die Ferne.
Durch die Welt mit jugendlichem Drange reisend,
blieb er ein zäher und wägender Hamburger. Auch
als strengerund unermüdlicher Wissenschaftler wugte
er ein in Heiterkeit Geniegender zu sein. Voll tiefster
Gelehrsamkeit war er jederzeit ein Künstler, k. br

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