Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten (61.1927-1928)

TSCHECHOSLOWAKEI

»DRUCKE UND EINBÄNDE«

trast gegeneinander stehen, bei Rußland und Frank-
reich, die Beobachtung machen, daß ihre Kollek-
tionen trotz ihrer unzweifelhaft typischen Aus-
drucksgehaltlichkeit unzulänglich bleiben. Rußland,
ganz auf radikale, photo-mechanische Typographie
(Elj Lissitzkij) eingestellt, die es in gläubiger Selbst-
befriedigung auf den Broschur - Einbänden seiner
umfangreichen Propagandaliteratur anwendet, und
eine Illustrationsgraphik (Alexander Tischler) ver-
herrlichend, die jene technische Manie ins Pervers-
Phantastische hinüberwandelt, will nur als Sowjet-
republik gewürdigt sein. Wo aber bleibt in diesen
Formen, die mit gleicher Methode auch das Kinder-
buch „umstellen", das nie zu unterdrückende Volks-
lied, das erfüllt ist von Steppenmystik und Farben-
melancholie? Und Frankreich? Es schwelgt noch

in der dekorativen Haltlosigkeit von 1906, überzieht
mit einer üppigen, sinnlich-glühenden Ornamentik
frivol Deckel und Rücken des Einbandes (ein ein-
ziger Band, von Legrain, mit streng rhythmisiertem
geometrischen Ornament läßt ein zeitverbundenes
Formbewußtsein erkennen; Rene Kieffer folgt zö-
gernd in einigem Abstand) oder bleibt beklemmend
kühl, wo es farbig illustriert. Sofern aber die Illu-
stration die eigenen interessanten Wege der freien
Graphik geht, steht sie jenseits des engeren Bezirkes
„Buchkunst". Alle Namen von Rang sind hier ver-
treten. Die Typographie ist ohne wesentlichen Be-
lang. Beispiele für eine grundsätzliche Parallele zur
jüngsten konstruktiven Architektur, die doch auch in
Frankreich dem bisherigen dekorativen Idol entge-
genwirkt, sucht man in dieser Ausstellung vergeblich.