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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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Hofmann, Herbert: Internationale Buchkunstausstellung, [2]: Ausland
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0176

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Internationale Buchkunst-Ausstellung Leipzig 192J

BELGIEN. FRANS MASEREEL. »HOLZSCHNITT-ILLUSTRATION«

Tradition, die bei aller unverkennbaren Be-
ziehung zur deutschen Buchästhetik ihren spezi-
fisch schweizerischen Grundton nirgends ver-
leugnet. In Italien vermag sich ein einheit-
lich-zeitgemäßes Formempfinden noch nicht
durchzusetzen. Ist man in der Typographie und
in der Buchillustration (Holzschnitte von Bra-
manti) einem verhängnisvoll an der Antike
orientierten Romantismus teilweise mit Erfolg
entglitten, so kann man sich auf dem Gebiete
des Einbandes aus dem Banne einer übermäch-
tigen „römischen" Tradition noch nicht lösen.
Der spanische Einband trägt noch die Lasten
eines national geprägten barocken Dekors oder
die Strenge eines geschmackvoll disziplinierten
„Spitzen"-Ornamentes (Sousa Regoyos). Man
pflegt von jeher die Bordüre um das Textbild,
das übrigens wegen seiner außerordentlich klar
gegliederten Schriftzeichen ausdrückliche Wür-

digung verdient. Castro Gil ist als
Radierer eine überragende Per-
sönlichkeit. — In der Buchkunst
Ungarns, Jugoslawiens, Polens und
auch Finnlands haben die volk-
haften Elemente stärkste Lebens-
geltung empfangen. L. Kozma hat
im ungarischen Einband diese ewig
strömenden Kräfte in einen allzu
kunstgewerblich erstarrten For-
malismus eingejocht, während
sie die polnische Illustration und
Druckbild - Gestaltung in unver-
bildeter Urtümlichkeit von innen
her ganz naiv beschwingen. Der
Name des Buchgraphikers Pöl-
tawskis hat in diesem Zusammen-
hange besten Klang. — Die nor-
dischen Staaten Dänemark, Nor-
wegen und Schweden stellen sich
dem übrigen Europa als festge-
fügter, durch inneres Ebenmaß
ausgeglichener Kulturblock gegen-
über. — Schweden, dem unstrit-
tig die Führung gebührt, bekennt
sich im Einband (Akke Kumlien,
Torsten Schonberg) im edelsten
Sinne zu einem traditionellen
Wachstum, dessen reife Zeitver-
bundenheit in den Titel- und
Broschur-Kompositionen den Aus-
druck höchster künstlerischer
Reinheit empfangen hat. Die Illu-
strationen Yngwe Bergs reihen
sich mit selbstverständlicher Ge-
bärde diesen geläuterten Schöp-
fungen ein. Norwegen vermag dem
bunten und von echtem Leben
durchpulsten gestalterischen Reichtum des Nach-
barlandes nur eine steif-exakte Typographie
hinzuzufügen; Gulbranssons verinnerlichte Illu-
strationen stehen einsam daneben. Dänemark
ist nur im Zusammenhange mit dem größeren
Schweden zu begreifen.

Die Bedeutung der belgischen Buchkunst
liegt einseitig in der Illustration. Frans Masereel,
Jozef Cantre, Edgard Tijgat, Nele van de Velde
gaben ihr die Kraft ihres individuellen Tempe-
ramentes. Einband und Dekor ermangeln einer
straffen Tektonik. Schriftschöpfungen fehlen
völlig. Gerade mit diesen aber (von de Roos,
van Krimpen) hat sich Holland eine achtung-
gebietende Position begründet. Seine typo-
graphische Raumgliederung und stilistische Assi-
milation von Druck und Bild weisen auf die
gleichen formbildnerischen Kräfte hin, die seiner
Architektur den europäischen Vorrang sicherten.
 
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