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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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Habicht, Victor Curt: Von der Formbeherrschung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0183

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AN DR B DKRA1N
»ITALIENERIN«
MIT GENEHMIG.
DER GALERIE
PLBCH THEI II

VON DER FORMBEHERRSCHUNG

VON PROF. DR. V. C. HABICHT

Die sämtlichen neuen Formtendenzen gehen
immer noch darauf aus, den Historizismus
aus dem künstlerischen Schaffen auszuschalten,
und zwar geschieht das meist indirekt. Sicher war
das Übel einer Stilnachahmerei sehr groß, aber
man überschätzt die gedankliche oder künst-
lerische Tat, die diese Wendung — bewußt
oder unbewußt — in den Vordergrund rückt.
Als positive Werte werden die Angleichungen
an unsere Zeit angegeben. Es unterlaufen dabei
aber soviele Fehlschlüsse, daß es sich wohl lohnt,
auf diese „Selbstverständlichkeiten" einmal
näher hinzusehen und sie auf ihre Stichhaltig-
keit zu prüfen. So wird ohne weiteres als ein
unumstößliches Axiom ausgegeben, daß unsere
Zeit die der Technik sei und, daß es sich ganz
von selbst verstehe, daß ein Haus oder ein Stuhl
diesem Zeitcharakter Rechnung zu tragen habe.
Diese höchst mangelhafte Logik würde etwa der
entsprechen, die im Mittelalter geschlossen hätte,
es sei das Zeitalter der Pechfackeln oder im
Barock es sei das der Sänften. Mit ernsteren

Worten, man setzt als Prämissen Erscheinungen,
die ohne Frage hochwichtig sind, aber in keiner
Weise als Voraussetzungen für künstlerisches
Schaffen in Frage kommen. Denn, daß es z. B.
architektonische Aufgaben für Flughäfen, Hoch-
häuser oder Autogaragen gibt, hat doch nicht
das mindeste mit dem künstlerischen Prozeß,
aus dem heraus sich die Lösung entwickelt, zu
tun. Exempladocent. Wenn z. B Peter Behrens
früher als andere sehr glückliche Lösungen für
modernen Anforderungen entsprechende Fabrik-
anlagen gefundenhat, so doch ohne jeden Zweifel
nicht etwa, weil er irgend ein inneres Verhält-
nis zur modernen Technik hat, sondern nur weil
ihn sein künstlerisches Ingenium richtig leitete,
weil er gestalterische Kräfte besaß, die diesen
Aufgaben künstlerisch gerecht werden konnten.
Vielleicht ist unsere Zeit die der Technik — was
noch nicht einmal ausgemacht zu bleiben braucht
—, zur Erkenntnis oder Leitung des künstle-
rischen Schaffens ist diese Redensart völlig ohne
Belang. Wenn dem nicht so wäre, müßte sich

XXXI. Dezembor 1927. 1
 
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