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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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Habicht, Victor Curt: Von der Formbeherrschung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0184

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Von der Formbeherrschung

PAUL SIGNAC—PARIS

GEMÄLDE »LANDSCHAFT«

künstlerische Sicherheit ja leicht durch Auto-
fahren, Flugzeugexpeditionen oder irgend eine
andere Hingabe an die außerkünstlerischen Vor-
aussetzungen einer Zweckbestimmung finden
lassen. So gut es für die Gotik gilt, daß nicht etwa
die Technik oder konstruktive „Erfindungen"
den Stil gemacht haben, sondern umgekehrt der
Stilwille diese Voraussetzungen, so auch hier.
Besser gesagt, die Erbauer der Kathedralen
oder später ein Balthasar Neumann hatten aus
innenkünstlerischen Voraussetzungen die Mög-
lichkeit, diesen Anforderungen zu entsprechen.
Diese Männer haben, wie Peter Behrens, etwas
leisten können, weil sie die Form beherrsch-
ten. Sie haben sich nicht mit erbärmlich un-
logischen Spekulationen eingelassen, sondern
gelernt und gearbeitet. Die geradezu schola-
stische Logik: Zeitalter der Technik — Form der
Technikist von einer erschreckenden Dürftigkeit.

Nun kommt allerdings der Haken. Man wird
mit Recht sagen können, gute Formsicherheit
kommt mit aus Arbeit, aber wie wenig umfang-
reich war das Gebiet, in das sich ein Erwin von
Steinbach oder ein B. Neumann einarbeiten
mußten — und heutzutage werden wir über-

füttert mit allzuvielen, beschwerenden, hemmen-
den, Ursprünglichkeit tötenden Kenntnissen.
Darum weg! mit allem Wissen, weg mit allen
Stilen; fangt unbeschwert von „vorne" an. Auch
über diese bodenlose, sehr propagierte „Weis-
heit" kann man nur lächeln. Denn denkt man
nur ein klein wenig, so wird man fragen, was
heißt hier „vorne", etwa der Stil ums Jahr 1,
oder das „Vakuum", oder die „berühmte"
Schätze bergende Brust? Sehr Schlaue werden
antworten mit „hinten"; d. h. sie werden sich
so logisch nicht auszudrücken vermögen und
auf verschwommene Redensarten wie „Stil,
Forderung, Bedürfnis „unserer" Zeit verweisen;
d. h. letzten Endes auf „Nichts". Ich möchte
betonen, daß es sich hier weniger um die meist
„viel unschuldigeren" Leistungen, als um Argu-
mentationen handelt, für die wahrhaft gilt:
„Bilde, Künstler, rede nicht." Leider sind wir
— auch die „Ursprünglichen" — derart intel-
lektualistisch eingestellt, daß diese wirklich nicht
unschuldigen Argumentationen auch ins Werk
wachsen und Unheil anrichten.

Soviel ist jedenfalls klar, daß Menschen mit
einer beinahe 2000 Jahre alten Geschichte das
 
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