Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

DOI Artikel:
Straus-Ernst, Luise: Richard Seewald, Köln
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0282

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ricliard Seewald - Köln

richard seewald—koln

wandgemälde »architektur«

nach Klarheit und Vereinfachung von Form und
Farbe deckt sich gewissermaßen mit den Vor-
aussetzungen und Erfüllungen seiner Kunst.
Schon das Wandgemälde für das Haus eines
Architekten (auf Sperrholzplatte gemalt und in
berechtigtem Unmut über den Auftraggeber
vom Künstler wieder zerstört) zeigt Seewalds
Begabung auf diesem Gebiet. Sie kommt noch
stärker zum Ausdruck in den Fresken, die er
für das Kölner Hochhaus-Cafe schuf. Diese Auf-
gabe erscheint sehr glücklich gelöst. Die Wände
sind durch Fenster und Türöffnungen aufgeteilt
und ihren unregelmäßigen Flächen fügt sich der
Aufbau der einzelnen Bildgruppen mit graziöser
Selbstverständlichkeit ein, ohne daß die monu-
mentale Wirkung geschmälert wird. Die domi-
nierenden Farben des Raumes sind Grün und
Silber, auch in den Wandbildern ist ausschließ-
lich ein bläuliches Grün in vielen Schattierungen
verwendet. Das erhöht den Eindruck von Ge-
schlossenheit, der schon durch die mehrfach
wiederkehrende Vertikale des kahlen Baumes
und des Schiffmastes bedingt war.

Es scheint, daß in letzter Zeit öfter als bis-
her wirkliche Künstler mit der Ausmalung von
Kaffeehäusern und Kinos betraut werden. Dies
ist ein wesentlicher Faktor für die öffentliche
Kunstpflege, denn mehr als Kirchen und Museen
sind heute Cafes und Kinos die Stätten der
Öffentlichkeit. Diese Wahrheit ist gewiß bitter,
aber sie läßt sich zum Vorteil wenden, wenn
man es, wie in Köln, versteht, nun eben diese
Stätten so herzurichten, daß das Gefühl für

künstlerische Werte halb unbewußt bei der
Masse breiteren Raum gewinnt. Dieses Gefühl
beginnt dann ganz allmählich sich auch in der
Gestaltung der Wohnungen auszuwirken und
durchdringt das ganze bürgerliche Leben. So
leistet der Künstler, der sich an den Wänden
eines Kaffeehauses „profanierte", in Wahrheit
ein wertvolles Stück aktiver Mitarbeit an der
Erziehung des Volkes zur Kunst.

Neben den Bildern und Fresken hat Seewald
in neuester Zeit auch eine Reihe von Porträt-
zeichnungen gemacht, die zumTeil lithographiert
worden sind. Die Beschäftigung mit diesem bis-
her weniger von ihm gepflegten Zweige der
Kunst ist bezeichnend für die sichere Kon-
sequenz, mit der er an seiner künstlerischen
Persönlichkeit arbeitet. Sie sind sparsam in
der Linie und sehr klar in der formalen Durch-
führung. Aus ihnen wie aus allen neuen Ar-
beiten spricht neben der heiteren Gelassenheit,
die schon für die früheren Werke charakte-
ristisch war, ein sehr fester Wille und ein unbe-
irrbares Zielbewußtsein. . dr. luise straus-ernst.
*

Was nicht lebendig aufgenommen und assi-
miliert ward, blieb und bleibt unwirksam.
Wie denn auch heute das Wissen von Millionen
Menschen, welche glänzend gelernt haben, ohne
jede lebendige Bedeutung ist; sie sind wesentlich
so, als hätten sie nichts gelernt. Worauf allein
es ankommt, ist nicht das Gewußte, sondern das
Verstandene. Mit bloßem „Wissen" ist auf kei-
nem Gebiet das Mindeste erreicht. Keyserling.
 
Annotationen