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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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Tietze, Hans: Georg Ehrlichs Plastiken
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0367

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G K O K 0
EHRLICH.
»FRIERENDE«
BRONZE

GEORG EHRLICHS PLASTIKEN

Malerei und Bildnerei sind befreundet wie
Schwestern, verfeindet wie Schwestern;
sie suchen einander in den wechselnden Phasen
ihrer Vorherrschaft den eigenen Weg aufzu-
zwingen. Im Impressionismus hat die Malerei
auch der Plastik das Gesetz diktiert; Rodins
Werk ist von malerischem Geist durchtränkt
und wenn vollends ein Maler jener Generation
zum Ton griff — wie etwa Degas —, so ent-
standen jene sprühend-lebendigen, bis in die
Behandlung ihrer Oberfläche einem malerischen
Impressionismus unterworfenen Aktfiguren.
Wenn es einen Maler von heute zur Bildnerei
treibt, so will er bei ihr Bestätigung seiner Sehn-
sucht nach einfacherer und ruhigerer Form fin-
den, will er sich an dem aufbauenden und klären-
den Formwillen erziehen, der dieser Kunst mehr
als der seinen natürliches Lebenselement ist.
Dieser Zug der Maler zur Bildnerei ist heute
in der Lage der Malerei begründet; unter denen,
die ihm gefolgt sind, um zu sich selbst "zu ge-
langen, ist Georg Ehrlich, der Wiener Maler und
Graphiker, der in den letzten zwei Jahren fast
nur noch als Bildhauer tätig gewesen ist.....

Der Generation, der der jetzt Dreißigjährige
angehört, ward das schmerzvolle Erlebnis der
Jünglings zeit, der Anprall an das harte Leben,
durch den Krieg hundertfach erschwert; sie waren
Zerrissene, ehe sie Fertige wurden. Mit der
verhängnisvollen Mitgift warmer Liebe zur Welt
beschenkt, hat Ehrlich ein ungeheueres Mitge-
fühl und Mitleid in seine nervösen Frühwerke
— Bilder und Graphiken — ausgeblutet, in
denen sich eine übersteigerte und überreizte
Empfindsamkeit die Körper schuf. Wenn die
Augen größer brannten, wenn die beseelten
Antlitze überbetont waren, wenn die Gliedmaßen
schrumpften oder an ihren Gebärden wuchsen,
wenn sich um die Menschenknäuel außerwelt-
liche Landschaften breiteten, verschwommen
und bestimmt wie gleitende Träume, so war
dies weder häßlich noch unnatürlich, wenn man
unter Schönheit die Harmonie aller Teile, unter
Natur die unerschöpfliche Auswirkung leben-
digen Geistes in tote Form versteht.

Die Überwindung dieses Waltenlassens gären-
den Allgemeingefühls, die Ehrlichs Werk seit
1923 mit zunehmender Kraft bestimmt, war
 
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