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Die Gartenkunst — 27.1914

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Nr. 3
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Tapp, Willi: Tagesfragen
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https://doi.org/10.11588/diglit.20974#0051

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hier muß jeder, der sich kritisch prüfend umschaut
und es ehrlich mit unserer Kunst meint, sagen,
daß das Ergebnis nicht sehr befriedigen kann.
Das Erfreulichste ist dabei, daß ein gewisser Zug
zur Besserung wohl erkennbar ist; vorerst aber
meist in dem guten Willen zum Besseren, wäh-
rend das bessere Können weniger oft in Erschei-
nung tritt. Nun ist ja der „gute Wille" gewiß
kein Fehler, positive Bedeutung kann für unsere
Kunst und unser Kunstleben aber endlich doch
nur das „Können" haben. Wie sagt doch Schopen-
hauer? —

„Der gute Wille ist in der Moral alles; aber
in der Kunst ist er nichts; da gilt, wie schon das
Wort andeutet, allein das Können . . ."

Daß es auf den anderen Gebieten der ange-
wandten Kunst nicht viel besser steht als bei
uns, ist zwar ein Trost, aber ein schlechter. Es
will mir scheinen, als ob dort die Regeneration
doch etwas lebenskräftiger einsetzte, als ob ein
frischeres, kräftigeres Leben pulste als bei uns. —

Doch schauen wir weiter. Wie steht's dem-
gegenüber bei den beamteten Gartengestaltern?
Nun, hier liegen die Verhältnisse naturgemäß
ganz ähnlich. Auch hier sind einzelne Kräfte
tätig, die Besonderes leisteten, denen dann auch
die öffentliche Anerkennung nicht gefehlt hat. —
Daß die Verhältnisse hier im allgemeinen denen
der freien Gartengestalter ähneln, ist ja auch
wirklich nicht verwunderlich. Ist es doch, allge-
mein betrachtet, hier wie dort das gleiche Ma-
terial, der gleiche Bildungsgang. Wo soll da ein
großer Unterschied, eine Überlegenheit einer
Kategorie über die andere herkommen? Daß
den beamteten Gartengestaltern, die wirklich
gutes leisteten, die öffentliche Anerkennung etwas
früher und leichter wurde, ist leicht erklärlich.
Glänzen doch ihre Schöpfungen im allgemeinen
direkt vor dem Forum der Öffentlichkeit. Die
öffentliche Kritik und Anerkennung konnte somit
wesentlich schneller einsetzen. — Daß der Durch-
schnitt der beamteten Gartengestalter etwas
günstiger in der öffentlichen Meinung abschneidet,
hat wohl seinen Grund z.T. in der Massenpsyche
— dem Respekt vor Titeln und Würden; beruht
aber wohl auch in etwas darauf, daß bei dem
starken Andrang zu den leitenden Beamtenstellen
die betr. Kommunen etc. fast stets in der Lage
sind, eine scharfe Sichtung der Bewerber vorzu-
nehmen und naturgemäß auch vornehmen.

Hierin liegt in gewissem Sinne die Gewähr
für einen bestimmenDurchschnittsgrad der Kön-
nens, und geben wir's ruhig zu, ganz allgemein
betrachtet, auch der Grund einer gewissen Über-
legenheit gegenüber dem Durchschnitt des freien
Gartengestalter. Denn, bei jenen konnte gesiebt
werden, während die selbständige Ausübung des
Gartenschaffens ja an keinerlei Befähigungsaus-
weis gebunden ist. So kann es nicht ausbleiben,
daß unter den Gartenkünstlern — Gartenarchi-

tekten, Garteningenieuren, Landschaftsgärtnern
— eine große Anzahl von Auchfachleuten tätig
ist, deren Blick durch keinerlei Kunstkennen und
-können und ebensowenig durch allzuviel tech-
nischen Wissens und Könnens getrübt ist. Daß
diese nicht zur Hebung des Niveaus beitragen,
ist leicht erklärlich. —

Ich beschränke mich darauf, einfach die Tat-
sachen zu konstatieren, ohne den Ursachen des
näheren nachzugehen und ohne heute Abhilfe-
möglichkeiten anzudeuten. Im Hintergrunde
lauert als Fundamentalfrage die Frage der Aus-
bildung. Zu diesen Bildungsfragen ist ja bereits
so viel geredet und geschrieben und auch gutes
und wertvolles, daß uns weiter gar nichts mehr
fehlt als Taten, die die Nutzanwendung, den ge-
sunden Niederschlag des vorgeschlagenen Guten
darstellen ....

Zum Schluß möchte ich noch kurz eine Frage
streifen, die im Kausalzusammenhang mit der
Ideenverbindung „Gartengestalter — Zusammen-
schluß — wirtschaftliche und künstlerische Fra-
gen", steht.

Typisch für die Gesamtheit unseres regen
wirtschaftlichen Lebens ist das Streben nach Or-
ganisation, Zusammenschluß dieses Streben liegt
imZuge der Zeit. Gemeinsame Interessen schaffen
gleiche Ziele. Diese sind im scharfen wirtschaft-
lichen Daseinskampf wesentlich leichter — oft
überhaupt nur — von einer zusammengeschlos-
senen, organisierten größeren Mehrheit zu er-
reichen. Diese Erkenntnis dürfte heute Gemein-
gut jedes wirtschaftlich tätigen Standes geworden
sein. Auch die Gartenarchitekten konnten sich
dieser Erkenntnis nicht verschließen. Die Organi-
sation als logische Folge setzte ein, erstarkte
mehr und mehr und betätigte sich nach und nach
immer reger.

Diese Tatsache war durchaus erfreulich und
zu begrüßen. Das lebhafte Betonen der wirt-
schaftlich-geschäftlichen Momente war ebenfalls
verständlich. Nur sollte dies meines Erachtens
doch nicht zu sehr auf Kosten der künstlerischen
Seite geschehen. Denn eine Vereinigung von
Gartengestaltern hat zwar sicher geschäflliche
Interessen zu betonen, darüber hinaus aber auch
noch ernste Verpflichtungen gegenüber unserer
Kunst an sich.

In der Gartenkunst fand ich vor einigenjahren
den Satz „Den Garten soll der gestalten, der ihn
gestalten kann! — Ein jeder, der es ernst mit
seinem Interesse für unsere Kunst meint, muß
dieses ehrliche, freimütige Bekenntnis auch heute
noch und in jeder Zukunft mit Entschiedenheit
zu dem seinen machen. Ich persönlich freue mich
über jede wirklich gute Gartenschöpfung und dies
auch dann, wenn sie der schöpferischenPhantasie
eines Nichtzünftlers entstammt. Ich bin jedem
Architekten und anderen Künstler dankbar, der
uns eine restlose Lösung eines Gartenproblems

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