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Die Gartenkunst — 27.1914

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Nr. 15
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Heicke, C.: Vom neuen Hamburger Stadtpark
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Arntz, Wilhelm: Gartenkunst im Städtebau
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https://doi.org/10.11588/diglit.20974#0244

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daß der Stadtpark, wenn seine Anpflanzungen erst
ein gewisses Alter erreicht haben, den Eindruck einer
großzügigen Anlage machen und der Hamburger
Bevölkerung einen wertvollen und gern benutzten
Ort für den Aufenthalt im Freien und die Betätigung
von Spiel und Sport bieten wird.

Bei dem weiteren Ausbau des Stadtparkes scheint
ein Lieblingsgedanke des verstorbenen Lichtwark zur
Durchführung zu kommen, der sich lebhaft für dieStadt-
parkidee interessiert hatte und ihn gern zu einem Frei-
lichtmuseum für künstlerisdie Plastiken entwickelt
sehen wollte. Es scheint, daß der Stadtparkverein,
welcher sich zur Aufgabe gemacht hat, einzelne Teile
des Parkes besonders reizvoll auszugestalten, in
seinem Sinne zu wirken beabsichtigt. Auf seine
Veranlassung und unter seiner Mitwirkung sind be-
reits eine ganze Anzahl feiner Kunstwerke für den
Park gestiftet worden. Es seien genannt eine Diana-
gruppe des Hamburger Arthur Bock, Bronzefiguren
von Professor Georg Wrba, eine Wasserträgerin von
Wield, ein Brunncnbedien von August Gaul, eine
weibliche Figur umgeben von Kindergestalten von
der Hamburger Bildhauerin Luksch-Makowska. H.

Gartenkunst im Städtebau*).

Der Hereinbruch des Industrie-Zeitalters, das
den Menschen von der Mutterkraft der Scholle löste,
in Massen zusammendrängte fern und ferner der
Natur, war uns vielfach wie die riesenhaft herauf-
steigende Drohung eines chaotischen Zusammen-
bruches der Menschenwelt. Entartung der Körper
und der Geister, des Einzelnen und der Gesellschaft
schien den tiefer Schauenden seine Wirkung zu sein.

Dies Zeitalter schuf sich sein eigenstes Organ
in den Industrieanlagen und den Großstädten. Die
Industriesiedelung und die Großstadt sind die Stelle,
an der die Entscheidung ausgekämpft wird, ob die
ausgelösten Entwickelungsgewalten zu negativer oder
positiver Auswirkung gelangen sollen.

In den Städten wohnt heute schon die Hälfte,
oder mehr, unseres Volkes. Die Städte ziehen mag-
netisch die besten Kräfte an. Der Städter ist bereits
die herrschende, die Rasse der Zukunft. Es liegt
ganz bei uns selber, ob diese Kasse aus ihren un-
begrenzten Möglichkeiten zu einem höheren, gesun-
den Menschentyp werden und die Welt zu einer
höheren Form von wahrer Kultur gestalten wird.

Wenn man heute überschaut, was alles auf dem
jungen Felde des Städtebaues im Erwachen und
Werden, im zuversichtlichen Kämpfen und ernsten
Schaffen ist, so verklärt sich einem der Medusen-
blick des Zeitgetriebes. Die Massen, fast bis zu
den obersten Gesellschaftsstufen, sind heute in
den Städten ja nur untergebracht, sie hausen in einer
Art von Notmassenquartieren, zu Notstandspreisen
und unter allen Notstandsschädlichkeiten. Und sie
sind fremd und skrupellos, wie man sie fremd
aufgenommen und skrupellos ausgenützt hat. Die
merkantile Lebensauffassung verdrängte von vorn-
herein wirklichen schöpferischen Gemeinsinn. Allein
selbst der Indifferenteste fühlt allgemach, daß das
ein verderblicher Zustand ist, an dessen Beseitigung
jeder einzelne interessiert ist. Es gilt dauernde
d. h. für eine Dauer geeignete Verhältnisse zu
schaffen. Die natürliche Forderung ist: Gesundes
Wohnen, gesundes Tätigsein, gesundes Genießen,
mit einem Wort: gesundes Leben. Die Massen

•) Hugo Koch, Gartenkunst im Städtebau, Berlin 1914, Ver-
lag von Ernst Wasmuth A.-G.

müssen Menschen sein, ein Menschendasein führen,
neuen Kultursinn hervorbringen und freudig mit-
arbeiten können am werdenden Organismus des
Ganzen, das im leistungsfähigen, durchgebildeten,
schönen und beseelten Körper der Stadt seinen treuen
Ausdruck finden wird.

Diese Forderung gewahrte man zuerst überhaupt
nicht; langsam nur wurde der Städtebau als Problem
erfaßt; heute endlich dürfen wir glauben, seiner
Lösung nahe zu sein. Die Stadt der Zukunft steht
auf anderen Grundlagen als die der Vergangenheit.
Ihr auffallendster Wesenszug ist neben der klaren
Organisation die Weiträumigkeit. Der Garten erobert
sich die Stadt.

Das Leben in frischer Luft und Sonnenlicht, die
gesunde und umfassende Betätigung unseres Kör-
pers, den erquickenden Genuß freien Raumes und
vegetativen Lebens können wir nicht entbehren,
nicht auf Sonntage und Urlaubswochen beschränken.
Ebensowenig können wir die Harmonie, den großen
Sinn in der Erscheinung unserer täglichen Umwelt
missen, ohne auf die Dauer schweren Schaden an
unserer geistigen Konstitution zu nehmen. Die Natur
aber im romantischen Sinn ist uns zum dauernden
Aufenthalt unwiederbringlich verloren. Örtlich und
in unserm Wesen sind wir über sie hinausgewachsen.
Oder auch: In uns und unserer Umgebung erfährt
sie eine Metamorphose. Aus ganz selbstverständ-
lichen Gründen müssen wir uns die Natur umprägen
in eine konzentrierte, unserer übrigen Existenzweise
gemäße Form. Das ist der Garten im weitesten
Sinne.

Unüberwindlich scheinende Schwierigkeiten stel-
len sich der Verwirklichung dieses Wollens entgegen.
Die unnatürlichen Bodenpreise lassen den allge-
meinen Flachbau, das Einfamilienhaus mit Haus-
garten, noch nicht in großem Umfange durchführen.
Viel liegt aber auch an mangelnder Einsicht, Inter-
esselosigkeit und Willensschwäche. Einen vorläufi-
gen Ausweg bietet das Kleinmiethaus mit genügen-
der Gartenfläche. Das Beste wird sich da aber erst
erreichen lassen mit der Durchführung einheitlicher
Blodtplanung. Sie gibt erst die Möglichkeit eine
günstige Parzellierung durchzuführen und darüber
hinaus gemeinsame Innenanljgen, zwecklich reich
durchgebildete, durchaus ökonomische, schöne und
gesunde Gartengebilde, zu schaffen.

Neben dem Eigengarten und in dem gegen-
wärtigen Zustand auch weit vor ihm, besitzen
die größte Bedeutung die öffentlichen Gärten und
Grünanlagen. Große Pachtgartenkolonien für die-
jenigen, welche auch in Zukunft in den bisher ent-
standenen Massenmiethäusern zu hausen gezwun-
gen sind. Dann ein gutes System von Prome-
naden für den täglichen Arbeitsweg, den man
bald höher schätzen wird als Straßenbahn und
Schnellbahn, grüne Luftkanäle nach der engen Innen-
stadt, Spiel und Sportanlagen, ausgedehnte befrei-
ende Erholungsflächen bis zum geschützten Wald
und Wiesengürtel, und schließlich die den Sonder-
zwecken dienenden Anlagen. All das begreift ein
ständig sich erweiterndes Programm, ein ausge-
dehntes Arbeitsfeld, eine Fülle von Aufgaben und
Gestaltungsmöglichkeiten.

Eine zusammenfassende Darstellung des Themas
von der Gartenkunst im Städtebau war bis jetzt
nicht vorhanden. Vor kurzem aber ist ein Buch er-
schienen, das diesen Mangel in vorzüglicher Weise be-
seitigt. Es ist das Buch „Gartenkunst im Städte-
bau" von dem Architekten Dr. Ing. Hugo Koch in
Hamburg. Ein kultivierter, klar und sachlich den-
kender Geist hat darin ein geradezu erstaunlich
reiches und umfassendes Material durchaus objektiv
vorgetragen. Er gibt mehr als eine tüchtige Ge-
lehrten-Arbeit. Er sichtet, klärt, präzisiert und ver-

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