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Die Gartenkunst — 27.1914

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Nr. 3
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Arntz, Wilhelm: Kunst und Garten
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Migge, Leberecht: Die Gartenbauausstellung Altona 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.20974#0054

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durchgreifender wird unser Drang, dieser Be-
ziehung Ausdruck zu geben, aus ihr heraus die
Welt zu betrachten und zu gestalten.

Darum konnte an unserm trostlos nüchternen
Zeitalter die Kunst nicht zugrunde gehen. Denn
es erzeugte ungeheure materielle Erfolge. Aus
schweren Umwälzungen erwuchs eine gewaltige
Kräfteauslösung. Erst rein äußerlich und in
engem geistigen Horizont, innerlich unreif. Der
Erfolg aber steigerte das Lebensgefühl, be-
freite die tieferen, die geistigen Elemente, die
großen Gedanken, führte Kunst und Weltge-
wissen in ein neues Dasein zn größerer Macht,
zu höheren Zielen, als der mitten im Tumulte
Leidende und verloren Ringende nur je zu hoffen
gewagt hatte.

Wir wissen wieder: Die Erscheinung der Welt
ist nicht etwas, das vernachlässigt werden kann.
In der Erscheinung der Welt wird sich letzten
Endes zeigen, ob unsere Zeit nur ein Weg zum
Chaos und zum Tode alles Geistes ist, oder ob
sie den Aufschwung durch Kampf und Not be-
deutet, zu gewaltigen Zielen, zur Höhe des Men-
schengedankens. Es gilt, die Augen scharf, die
Herzen tief, die Gedanken groß und weit zu
machen, und den Willen unbezwingbar und un-
bestechlich : Damit die Erscheinung der Welt zeuge
von einem hohen, starken Menschentum, von sei-
nem beglückenden, tief gründenden Verhältnis
zu ihr.

Die Gartenbauausstellung
Altona 1914.

Von Leberecht Migge, Architekt für Gartenbau,
Hamburg-Blankenese.

Voraus eine kleine aber lehrreiche Geschichte:
Die Gruppe Schleswig-Holstein der D. G. f. G.
unternahm es, den Hamburgischen Senat um
einiger Ungeschicklichkeiten willen, begangen
beim Bau des neuen Stadtparks, zu interpel-
lieren. Dieses taktisch nicht gerade geschickte
Vorgehen hatte, wie für jeden Kenner der Ver-
hältnisse vorauszusehen war, keinerlei Reso-
nanz. Immerhin war die erklärliche Verstim-
mung der Antragsteller kein genügender Grund,
auch war es gewiß kein Merkmal von Führer-
gesinnung und weitem Blick, daraufhin mitten
aus einer hoffnungsvollen Debatte über eine
großzügige Hamburger Gartenbauausstellung
heraus sich einem mehr zufälligen, separa-
tistischen Unternehmen rückhaltlos in die Arme
zu stürzen. Das geschah aber mit jenem folgen-
schweren Entschluß der Hamburger Gruppe, das
verständliche Bemühen Altonas, den 3. Deutschen
Gärtnertag einzufangen, zu unterstützen. Da-
mit war die Verkörperung der bereits jahre-
lang ventilierten Idee des „Größeren Hamburg,"

nämlich einer einmütigen erschöpfenden
Manifestierung neuen deutschen Gar-
tengeistes mit der Front nach dem
Auslande auf Jahre hinausgeschoben, wenn
nicht überhaupt verscherzt. — Heute kommt
man aus dem peinlichen Zwiespalt nicht heraus,
ob man mehr diese Haltung bedauern soll, oder
sich freuen über den flinken Geist des Altonaer
Unternehmens, das immer mehr den Eindruck
eines über die Massen fröhlichen Handstreiches
macht.

Ob dieser kecke Überfall des imponierenden
Altonaer Obersten und seines rührigen Garten-
Adjutanten Tutenberg auf die schwerfällige
Hammonia nun auch entsprechende Folgen haben
wird, ist allerdings eine zweite Frage. Nicht daß
an einem äußeren Erfolg dieser Schau zu zwei-
feln wäre; der ist gesichert fast allein durch
ihre seltene Lage. Aber mit jener scharfen Wen-
dung an die gesamte deutsche Gärtnerschafc hat
das Unternehmen sogleich Willen und Wirkung
über den ursprünglichen lokalen Rahmen hinaus
bekommen. Und mit der selbsttätig erweiterten
Verantwortung steigt auch automatisch der Maß-
stab der Kritik, die jetzt fragt: Was verspricht
diese Ausstellung für die Hebung des „ganzen
Gebietes des Gartenbaues und der Gartenkunst?"

Ihr Programm ist äußerlich und (was wichtiger
ist) innerlich nicht gerade umstürzlerisch zu
nennen. „Die beste Gruppe von 50 Palmen"
oder „100 Farnen" oder „25 Pelargonien", der
übliche „Sondergarten", etwas „Gartenindustrie",
bunte Pläne, die unvermeidliche „Friedhofsabtei-
lung", etwas Victoria Regia, ein wenig Kaktus,
Beerenwein und Peronospora — ich habe nicht
entdecken können, daß man in Altona diese
eingefahrene und sichere Bahn zur „erfolgreichen
Gartenbauausstellung" mit dem Wunsch zu grö-
ßerem Preis irgend wesentlich verlassen hätte.

Auch die praktische Aufrollung dieses Pro-
gramms draußen bietet schöpferisch kaum mehr
als guten Durchschnitt. Der Plan zeigt im we-
sentlichen einen steilen Hang nach Süden, von
Schluchten und kleinen Plateaus unterbrochen.
Auf halber Höhe ein altes efeuumsponnenes
Schloß. Zwischen den ehrwürdigen Parkbäumen
überall die blitzende Elbe, Schiffskolosse, Hafen-
gewimmel. Angesichts dieser Örtlichkeit gab es
für den Gestalter nur eine Möglichkeit: denHang
in großen Gliedern zu terrassieren, breite be-
queme Freitreppen einzufügen, auf denen die
Menge festlich auf und nieder flutet, und größere
Ebenen durch straffe Achsen zu verbinden. Statt
dieser Beherrschung der Glieder hat man es
vorgezogen, sich ihnen allenthalben unter-
zuordnen, mit dem Erfolge allerdings, daß die
Verzettelung der Ausstellungsgelegenheiten und
Materialien und die mangelnde Orientierung
einen Grad erreicht hat, der in Wirklichkeit noch
ärgerlicher in Erscheinung tritt als der Plan ohne

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