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Die Gartenkunst — 27.1914

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Nr. 9
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Heilig, Wilhelm: Talmi?
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https://doi.org/10.11588/diglit.20974#0141

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Spielplatz auf Buniamshof-Lübeck. Schaubild von der Kanalbrücke aus. Entwurf von E. Barth.

Talmi ?

Von W. Heilig, Düsseldorf.

Den Lesern dieser Zeitschrift werden fast in
jedem Heft Bildproben von neuzeitlicher Garten-
kunst vorgeführt. Wer zum Vergleich zwischen
früher und heute einige alte Jahrgänge hervor-
holt, freut sich über den Fortschritt und zwar mit
Recht, oder er ist erstaunt über die „Jugendlich-
keit" der neuen Periode.

Versuchen wir nun auf irgendeiner guten Ab-
bildung dasjenige Motiv zu verdecken, das dem
Ganzen Wirkung verleiht oder denken wir uns bei
Teilansichten einzelne Architekturstücke, bei der
Darstellung eines Ganzen die Architektur über-
haupt entfernt! Was bleibt dann z. B. bei den
Bildern der Läugergärten, die von der Mann-
heimer Ausstellung in der Gartenkunst veröffent-
licht sind, übrig? Was von mancher andern
schönen Veröffentlichung, wenn wir das Garten-
haus, den Vogelbrunnen, die überdachte Bank,
die Vase usw. wegnehmen? Ja, dann hätte man
„andere Motive" nehmen müssen, aber auf Stein,
Holz oder Eisen, auf irgendeine Kunstform des
toten Materials wäre man verfallen. Von diesen
Motiven, auf denen sich oft ganze Anlagen auf-
bauen, die durch die schönste Staudenrabatte,
die gewaltigste Allee nicht ersetzt werden können,
möchte ich heute sprechen.

In den Renaissancegärten sind diese „Zu-
taten" eine conditio sine qua non. Jeder Fürst
der damaligen Zeit brauchte ein prunkvolles
Schloß und einen ebensolchen Park, um sein
Ansehen zu wahren und zu heben, und der
Künstler, der an einen solchen Fürstenhof be-
rufen wurde, schätzte sich glücklich, durch Ter-
rassenanlagen, Feudaltreppen und Wasserkünste
sein Achsen zu betonen.

Heute sind die großen Aufgaben den Kom-
munen zugefallen und die Kommunen rechnen,

wie schon aus dem Sinne des Wortes hervorgeht,
mit der Allgemeinbenützung und, ja nicht zu
vergessen, sofort auch mit dem Kostenpunkt. —
Neben ihnen kommt noch eine ziemliche An-
zahl reicher Industrieller und anderer Privat-
leute, die sich einen Garten „leisten" können,
in Betracht. Hätte die allgemeine Kunstbewegung
zu der Zeit eingesetzt, in der sich viele solche
Einzelexistenzen wirtschaftlich festigten, so hätte
die Gartenkunst einen raschen Aufschwung er-
lebt. Allein die Gärten jener Zeit befriedigen
uns heute durchaus nicht.

Bei der scharfen Konkurrenz und den vielen
Krisen auf dem Geldmarkte ringt sich heute der
zu Wohlstand Gekommene wieder schwerer zu
dem Entschlüsse durch, für einen neuen Garten
eine hohe Summe auszuwerfen oder den alten
nach unseren heutigen Begriffen umzugestalten;
schon weil vielleicht bestimmte Pflanzen-Einzel-
exemplare sich an der Ecke irgend einer Herz-
oder Nierenform schön entwickelt haben und die
Liebe zur Einzelpflanze denBesitzer auf eine gute
Raumverteilung verzichten läßt. Und die archi-
tektonischen Motive, die wieder den Brennpunkt
der Anlagen bilden, bleiben gar oft bei der Aus-
führung weg. Warum? Eine überflüssige Frage!

Ich setze bei den Auftraggebern soviel Ver-
ständnis voraus, daß Gestaltungsgrundfragen
keiner Erörterung bedürfen; wird also von ihnen
oftmals eine gewisse Zurückhaltung gezeigt, so
liegt der Grund weniger in der Rückständig-
keit der Anschauungen, vielmehr darin, daß der
Gartenarchitekt plötzlich ganz andere Summen
fordert als der frühere Landsdiaftsgärtner und
daß dieser Unterschied innerhalb weniger Jahre
so bedeutend zum Ausdruck kam. — Waren doch
die Kosten für Neuanlagen eine lange Reihe von

Gartenkunst Nr. 9, 1914.

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