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Die Gartenkunst — 27.1914

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Nr. 9
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Heicke, C.: Die Frauen und Wir
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https://doi.org/10.11588/diglit.20974#0146

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neuen Frauenberufes gewidien, und die Stimmen,
welche eine Entwertung der Arbeitskraft des
Mannes im Gartenbau befürchteten, sind ver-
hallt. Nur ganz vereinzelt hört man noch einen
gelegentlichen Angstruf, wenn irgendwo bei
einer Gutsherrschaft eine Marienfelderin, durch
deren sachkundige und verständige Einfluß-
nahme auf den Betrieb des Gartens der Guts-
gärtner in seinem Schema gestört zu werden
fürchtet, angestellt wird.

Wer sich ernsthaft mit der Frage des Garten-
baus als Frauenberuf beschäftigt, muß zunächst
ohne weiteres zugeben, daß der Garten des
Hauses ebenso wie Küche und Keller ganz natur-
gemäß zum Wirkungskreis der Frau gehört.
Früher wußte man das gar nicht anders und es
war die Regel überall da, wo der Frau über-
haupt eine tätige Rolle im Wirtschaftsleben zu-
fiel. Auf dem Lande und in kleineren Städten
ist es noch heute vielfach der Fall. Ich denke
dabei selbstverständlich nicht an die weiblichen
Angehörigen der Gemüsezüchter, denen neben
praktischer Mitarbeit auf dem Feld hauptsächlich
die Verwertung des Ertrages auf dem Markt
obliegt. Ich denke vielmehr an Familien, die als
Gutsbesitzer oder auch in anderen Berufen auf
dem Lande und in kleinen Städten ihren Sitz
haben und über eine Gartenfläche verfügen, die
nicht nur den Erholungsaufenthalt für müssige
Stunden, sondern die Anzuchtstätte für den
größten Teil der Bedürfnisses der Küche bildet.
Die Frau war es und ist es zum Teil, allerdings
im verschwindenden Grade, noch, die dann die
Leitung hat, die Einhaltung des Betriebsplanes
und rechtzeitige Vornahme der nötigen Arbeiten
überwacht und es sich angelegen sein läßt, daß
vom Ertrag des Gartens alles seine richtige Ver-
wendung findet. Solche Frauen wußten über
alle einschlägigen Fragen Bescheid, besaßen ein-
gehende Sortenkenntnis und waren in der Lage,
dem Gärtner zweckmäßige und sachliche An-
weisung zu geben. Der Betrieb bewegte sich in-
folgedessen in einem Gleis, dessen Merkmal
eine zielbewußte Stetigkeit war im Gegensatz
zu der Sprunghaftigkeit, wo diese sichere Leitung
fehlt und alles von dem wechselnden Gärtner-
personal abhängt.

Mir scheint, daß es das hauptsächlichste Ziel
bei der Wiederbelebung des Interesses der
Frauenwelt für den Garten sein muß, an diese
Verhältnisse anzuknüpfen und in einer den ver-
änderten Zeitumständen Rechnung tragenden
Weise weiter zu bauen. Die Verhältnisse sind
insofern heute andere und bieten den Bestre-
bungen von Elvira Castner und ihren Schülerin-
nen ein weites Feld für fruchtbringende Betäti-
gung, als in Reaktion gegen das Mietskasernen-
System allerorten Bestrebungen im Gange sind,
die auf naturgemäße Lebens- und Wohnweise
abzielen. Das Wohnen im kleinen Eigenheim

ist der wichtigste Punkt im Programm; danach
wird mit verschiedenen Mitteln und auf ver-
schiedenen Wegen hingestrebt. Und wenn im
Zusammenhang damit aus der Not eine Tugend
gemacht und für die zahlreiche Klasse der Min-
destbemittelten, der Arbeiter, Unter-Beamten
usw. die Schaffung von Kleingärten in verschie-
denen Formen und immer ausgedehnterem Maße
Gemeinden und anderen Korporationen als eine
der wichtigsten sozialen Maßnahmen hingestellt
wird, so soll man auch dies mit dem Vorbehalt
gelten lassen, daß der Weg zum bescheidenen
eigenen Heim über den kleinen Garten führt.

Im eigenen Heim mit seinem Garten, sei er
groß oder klein, wird der Frau wieder die Rolle
zufallen, die ihr bei einer weniger überstürzten
Entwicklung gar nicht hätte verloren gehen dür-
fen. Hierfür die Frauenwelt fähig zu machen,
das erforderliche Verständnis zu wecken und das
nötige Wissen ihr zu vermitteln, wird zweifellos
der ganz von selbst eintretende Erfolg der Be-
strebungen der Gartenbauschulen für Frauen
sein. Ihre Schülerinnen tragen eine ganz neue
Auffassung vom Garten, seinen Sorgen und Freu-
den, in die Frauenwelt; durch eigenes Beispiel
zeigen sie, daß die Frauenhand Gartenarbeit zu
leisten vermag, daß der Garten in der Obhut der
Frau gut aufgehoben ist. Das ist das Wichtige.
Wenn daneben eine Anzahl junger Mädchen, die
sonst als beschäftigungslose Haustöchter sich mit
unproduktiven Künsten die Zeit vertreiben wür-
den, sich ernsthaft dem schönen und gesunden
Beruf als Gärtnerin widmen und so gut wie
andere im Lehrberuf, im Kaufmannsstand u. a.
darin ihren Lebensunterhalt finden und dabei
einen Posten bekleiden, den ebenso gut ein Mann
inne haben könnte, so kann dem keine große
Bedeutung gegenüber dem oben Gesagten beige-
messen werden.

Jedenfalls können wir, die wir uns die Pflege
und Weiterentwickelung der schönen Gartenkunst
zur Aufgabe gemacht haben, uns dessen freuen,
wenn die Frau dem Garten auf diesem Wege
wieder gewonnen wird. Wir haben oft darüber
Klage geführt, daß all unser Streben so ver-
hältnismäßig wenig Erfolg hat, weil die Erforder-
nisse des Gartens und die Voraussetzungen für
seine zweckmäßige und künstlerische Gestaltung
in den Kreisen unserer Auftraggeber selten ver-
ständnisvolles Entgegenkommen finden. Das
würde ganz anders sein, wenn die Frauenwelt
mehr für den Garten übrig hätte, und es wird
anders, je länger erst die Wirksamkeit der Gar-
tenbauschulen für Frauen sich durchsetzen kann.
Es erwächst uns in jeder einzelnen Schülerin, die
durch diese Anstalten hindurch gegangen ist, eine
wertvolle Bundesgenossin. Sie wird zunächst für
die wirtschaftliche Seite des Gartens Verständnis
schaffen, das genügt zunächst, das weitere wird
sich finden. Wer die Frauen hat, hat den Garten!

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