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Die Gartenkunst — 27.1914

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Nr. 14
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Heilig, Wilhelm: Der Wohngarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.20974#0222

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Stadtgemeinde Backnang. Lageplan des Geländes
für die Anlage eines Stadtparkes. Maßstab 1:5000.

logisch erscheinen, daß Tiefenwirkungen einen
repräsentativen Charakter haben. Repräsen-
tation aber ist die Feindin innerster Beschaulich-
keit und Ausgeglichenheit.

In seinen heimischen vier Wänden fühlt sich
der Durchschnittsmensch am behaglichsten, unge-
störtesten, da spielt sich das Familienleben ab,
diese Wände sind Zeugen von allenBegebenheiten
innerhalb der Familie. Sehen wir uns die zur
menschlichen Wohnstätte nötigen Räume auf ihre
Lage und Zusammensetzung überhaupt an. Die
Aufenthaltsräume, deren Zahl durch bestimmte
Verhältnisse bedingt ist, sind nach bestem Können
geschmückt und wohnlich eingerichtet; die Ver-
bindung der einzelnen Räume, der Hausflur, der
Vorplatz zeigen untergeordneten Schmuck.

Soll nun der Garten eine ähnliche Bedeutung
erhalten wie das Haus, soll sich ein Teil des
Familienlebens darin abspielen, so müßten ähn-
liche Bedingungen nach Möglichkeit geschaffen
werden. Eine Übertragung der Größenverhält-
nisse und der Anzahl der Wohnräume ist selbst-
verständlich ausgeschlossen, da bei einem Garten-

raum mit ganz anderenBegrenzungsverhältnissen
und der hohen Überdachung, dem Himmelsblau,
gerechnet werden muß.

Hier setzt die große Kunst ein, hier läßt sich
ermessen, was Raumgefühl und Raumkunst be-
deutet, und hier fängt die Möglichkeit an, dem
Architekten die Grenze seiner Betätigung inner-
halb der Gartenkunst zu ziehen.

Ich greife zu einem Beispiel: Der Garten des
Herrn X. ist x qm groß; bei der Aufteilung ist
der Gartenarchitekt imstande, vier verschieden
große Räume von x — x qm Größe aufzuteilen, die
vom „Gartenflur" aus bequem zu erreichen sind.

Welche Umpflanzung der Räume hält er für die
verschiedenen Raumgrößen bezüglich der Höhe,
der Ausdehnung und der Farbe unter Berück-
sichtigung der Bodenverhältnisse und Himmels-
richtung für erforderlich und zweckentsprechend?

Wie teilt er die Innenflächen auf, wohin kommt
die große Kinderstube (Spielplatz) mit Geräten?
Welches ist der günstigste Platz für den Aufent-
halt am Vormittag, für den Raum, in dem zur
warmen Jahreszeit die Familie frühstückt, welche
Umwandung ist hierzu nötig, wie ist deren Fär-
bung und Wachstum? Wo ist der schönste Punkt
für eine Fernsicht, die Terrasse des Gartens, mit
welchen Mitteln wird der Rahmen hierzu ge-
schaffen usw. ? — Unzählige Fragen tauchen hier
auf, die ein abgeschlossenes Können und Kennen
bei der Zunft voraussetzen.

Freilich kann ein Einwand gegen diese Art
von Aufteilung erhoben werden und zwar ein
solcher, der auf den ersten Hieb sehr triftig er-
scheint: „Warum den Garten zerstückeln, warum
soll sich nicht alles in der Laube vollziehen, wohin
kommen die Bänke zu stehen, wenn keine Achsen-
enden mehr da sind? Boten nicht diese Ausstat-
tungsstücke bisher so willkommene Abschlüsse
langer Perspektiven und anderer, glücklich grade
geführter Wege? —

Eine Aufteilung in getrennte Räume bedingt
eine bestimmte Grundstücksgröße. Der Garten-
besitzer, dessen Wohnräume an Zahl schon be-
schränkt sind, wird sich wohl selten einen Garten
halten können, der zu einer ausgesprochenen Tei-
lung Veranlassung gibt. Hier spielt sich eben
alles in einem Räume ab, wenn die Form oder
Lage des Grundstückes dies zuläßt. Eine räum-
liche Umschließung dürfte aber in den weitaus
meisten Fällen möglich sein.

Kehren wir zum Beispiel zurück. — Bei ge-
nauer Betrachtung hat sich die Möglichkeit erge-
ben, vier in sich ziemlich abgeschlossene Garten-
räume zu schaffen. Das Nächstliegende ist nun
die Aufteilung und der Zugang. — Da aber die
Lage der Gartenräume schon festgelegt ist, kann
der Zugang doch nur Zweckform haben, also Ver-
bindungsweg sein; er liegt im großen schon fest
in dem Augenblick, in dem die Räume ihren Platz
erhielten.

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