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Die Gartenkunst — 27.1914

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Nr. 20
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Heicke, C.: Zukunftsgedanken
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https://doi.org/10.11588/diglit.20974#0296

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Die Verfügung des deutschen General-Gouver-
neurs in Bezug auf die Erleichterung des Ab-
satzes der Genter Gärtnereien hat den Wider-
spruch der Handelsgärtner hervorgerufen. Mit
Recht! Denn man soll unter allen Umständen
von Maßnahmen absehen, die das ohnehin gerade
jetzt schwer kämpfende deutsche Gärtnereige-
werbe benachteiligen könnten. Aber der Kriegs-
zustand und die dadurch geschaffene Notlage
gehen vorüber. Wie sollen wir uns dann ver-
halten? Wollen wir auf die Verwendung von
Palmen u. dgl. Gewächsen nicht verzichten und
können unsere deutschen Gärtnereien den Bedarf
ausreichend decken, so muß gefordert werden,
daß der Bezug aus dem Ausland aufhört. Und
in dem unwahrscheinlichen Falle, daß unsere
deutschen Gärtnereien nicht allen Anforderungen
entsprechen könnten, dürfte es nicht schwer
sein, für Palmen in vielen Fällen einen gleich-
wertigen Ersatz zu finden. Mancher unserer
Gärtner kann sich eine „Dekoration" freilich ohne
den unvermeidlichen Phönix- und Dracänen-
Hintergrund nicht denken. Aber viel schöner
und stimmungsvoller wirkt die Ausschmückung
von Räumen für Feste und Feierlichkeiten, wenn
wir statt der sparrigen und unruhigen Palmen
Lorbeerbäume, Efeuwände u. dgl., Blumen und
Gehänge aus Fichten- und Kieferzweigen im
Winter oder Laubgewinde im Sommer verwenden.
Das wäre ein vollwertiger Ersatz schon in ge-
schlossenen Räumen, mehr aber noch im Freien,
wo Palmen durchaus fremdartig wirken.

Zur Klärung solcher und ähnlicher Fragen
dient manches, was in unseren Kreisen schon
früher erörtert worden ist. Bestrebungen, wie
sie in der kürzlich herausgegebenen Baum- und
Strauchauslese für den deutschen Garten zum
Ausdruck kommen, gehören hierher, wenn wir
dabei auch von anderen Gesichtspunkten ausge-
gangen sind, als sie heute die Erörterung beein-
flussen. Aber der Grundgedanke, uns zur För-
derung unserer künstlerischen und geschäftlichen
Betätigung von allem entbehrlichen und über-
flüssigem Kram zu entlasten, ist auch für unsere
heutigen Erwägungen von Bedeutung. Wir
müssen doch nicht alles haben und verwenden
wollen, was uns von irgend woher im Ausland
geboten wird. Wir haben vieles davon gar nicht
nötig und werden erstaunt sein, von welch guter
Wirkung auf unsere ganze Gartengestaltung es
sein wird, wenn wir entbehrliche Auslands-
erzeugnisse ausscheiden. Wir werden gerade
dahin kommen, daß unsere Gärten, ohne zu ver-
armen oder in ihrem Gesamteindruck zu leiden,
schön bleiben; wir werden erleben, daß dann
eine grundlegende Forderung, die von vielen
bisher nicht begriffen wurde, erfüllt wird, näm-
lich daß unser Garten deutsch sein muß, daß er
in jeder Beziehung deutsches Wesen und deutsche
Eigenart zum Ausdruck bringen soll. Hier kom-

men wir zu dem Punkt, wo sich wirtschaftliche
Fragen und Fragen der allgemeinen Kultur be-
rühren und ineinander greifen.

Wenn wir verlangen, daß der deutsche Garten
ein Ausdrucksmittel deutscher Eigenart und deut-
schen Empfindens sein soll, so schließt das in
keiner Weise aus, daß wir Anregungen von an-
deren Völkern dabei aufnehmen und verwerten.
Es wird heute soviel davon gesprochen, daß den
Deutschen eine Führerstellung unter den Völkern
gebührt. Der ganze große Krieg, in welchem
wir zurzeit gegen die halbe Welt stehen, hat
ja seine letzten Ursachen gerade darin, daß man
im Ausland zu der Erkenntnis gekommen ist,
daß das deutsche Volk zu dieser Führerrolle be-
fähigt und also auch berufen ist und daß es zur
Erkenntnis dieser Rolle gekommen und gewillt
ist, seine daraus sich ergebende Aufgabe zu er-
füllen. Daran wollen uns die anderen, die eine
Minderung des eigenen Ansehens und Einflusses
befürchten, hindern und deshalb ist es zum Krieg
gekommen.

Die Befähigung zu der Führerrolle, welche
wir in Anspruch nehmen und die uns von der
anderen Seite bestritten wird, gründet sich ab-
gesehen von deutscher Tüchtigkeit gerade auf
die Fähigkeit des deutschen Geistes, fremde Kul-
turen in ihrem besonderen Wesen zu empfinden,
sich deren Werte anzueignen und sie zur Be-
reicherung der eigenen Kultur aufzunehmen und
innerlich zu verarbeiten. Wir dürfen nicht ver-
kennen, daß wir von anderen Völkern künst-
lerisch und seelisch unendlich viel genommen und
bekommen haben. „Unsere ganze alte Erziehung
ist ja von den anderen, Griechenland, Italien,
Frankreich, England; die mußten alle erst da sein,
damit wir überhaupt etwas werden konnten.
Auch der Dom in Cöln ist nicht geworden, ohne
daß vorher die hohen Bauten in Frankreich an-
gefangen waren. Was wir haben und selbst, was
wir als sehr deutsch bezeichnen, ist Fremdes,
hineingesetzt in das Deutschtum." Diese Worte
hat Friedrich Naumann auf der Deutschen Werk-
bundtagung wenige Wochen vor Ausbruch des
Krieges gesprochen, und bei der Drucklegung des
Verhandlungsberichtes, die in die aufgeregteste
Zeit der ersten Kriegswochen fiel, hat er nichts
daran zu ändern sich veranlaßt gesehen.

Wenn wir es auch in unserer Gartenkunst,
wie von manchem behauptet wird, weit gebracht
haben — das Urteil darüber sollten wir freilich
besser anderen überlassen —, so verdanken wir
dies nicht zum wenigsten der vorhin erwähn-
ten deutschen Fähigkeit. Es hat deshalb keinen
Sinn und keine Berechtigung, Veranstaltungen
unserer Gesellschaft, die darauf gerichtet waren,
durch eigene Anschauung kennen zu lernen, was
Andere auf gartenkünstlerischem Gebiete gelei-
stet haben, heute unter der durch den Kriegs-
zustand erzeugten Stimmung zu verunglimpfen.

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