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Harth, Dietrich [Hrsg.]
Finale!: das kleine Buch vom Weltuntergang — München, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.2939#0168

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Goethe sagte in seiner Weise angesichts des hereinbrechen-
den neuen Zeitalters (zu Eckermann, 23. 10. 1828): „Klüger
und einsichtiger wird die Menschheit werden, aber besser,
glücklicher und tatkräftiger nicht, oder doch nur auf Epochen.
Ich sehe die Zeit kommen, wo Gott keine Freude mehr an ihr
hat und er abermals alles zusammenschlagen muß zu einer
verjüngten Schöpfung. Ich bin gewiß, es ist alles danach ange-
legt, und es steht in der fernen Zukunft schon Zeit und Stunde
fest, wenn diese Verjüngungsepoche eintritt. Aber bis dahin
hat es sicher noch gute Weile."

Diese mythischen Vorstellungen haben Handlungen Gottes
vor Augen. Heute aber steht keine kosmische Katastrophe in
Frage, die über den Menschen kommt, sondern was die Men-
schen selber vollziehen durch technisches Können. Wenn ihr
Handeln die Selbstausrottung bewirken würde, so kann nur ihr
Handeln selbst es verhindern.

Das Tor in die Zukunft führt in jedem Fall durch das Opfer,
entweder durch das Opfer des Menschendaseins in das Nicht-
sein der Welt für uns oder durch das Opfer menschlicher Da-
seinsinteressen in das Werden eines Menschen, der er selbst ist.
Wenn nach all den von Menschen in der Geschichte gebrach-
ten Opfern ihres Lebens nun das totale Opfer der Menschheit
als Möglichkeit in den Blickkreis tritt, so bleibt aber eine
Zweideutigkeit:

Ist es Verzweiflung? Aus Verzweiflung erfolgt der Um-
schlag der Todesbereitschaft im Wagnis um des eigentli-
chen Lebens willen zum Todesdrang dessen, der nicht
mehr leben mag. Der Opfermut, der leben will, schlägt um
in den Opferdrang, der sterben will. Das Wagnis aus Men-
schenliebe schlägt um in den Vernichtungswillen aus Men-
schenhaß.

Oder ist es Notwendigkeit aus dem unbegreiflichen
Grund der Dinge? Notwendigkeit ist es nur als Opfer für
die Ewigkeit. Gott spricht, wie in der Wirklichkeit der
Liebe, so in dem Opfermut des Alleswagens, das durch
keinen Zweck in der Welt genügend begründet ist, aber
sich stets auf einen solchen bezieht. Daher ist dieses Opfer
nicht im Abenteuer, sondern nur im Verwirklichungs-
willen, der vor der Transzendenz hinnimmt, wenn er
 
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