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Harth, Dietrich [Hrsg.]
Finale!: das kleine Buch vom Weltuntergang — München, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.2939#0062

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Nun kommt der dunkle Drache geflogen,
Die Natter hernieder aus Nidafelsen.
Das Feld überfliegend trägt er auf den Flügeln
Nidhöggurs Leichen und nieder senkt er sich.

Otto von Freising
Kann die Schöpfung untergehn?

Möge mich die Drommete des Heils wecken, wenn ich nun
daran gehe, über die letzte Zeit zu sprechen, bin ich doch
infolge der langen Ruhe erstarrt und infolge mannigfacher
Ablenkungen gewissermaßen in Schlaf versunken. Denn wer
sollte, wenn er sie hört, nicht aufwachen, selbst wenn er
vom Schlafe der Trägheit übermannt ist, wo selbst die Toten
sich bei ihrem Klang erheben? Ich gestehe, schon seit langem
ist meine Aufmerksamkeit durch vielerlei Beschäftigungen
zersplittert, und ich fühlte mich deshalb für die Behandlung
eines so schwierigen Themas zu schwach, oder besser gesagt:
wie ein Nichts. Deshalb habe ich den Finger auf den Mund
gelegt und wollte in den schlimmen Tagen lieber schweigen als
über große Dinge ohne innere Ruhe leichtfertig reden. Denn
ich weiß, wer gesagt hat: „Seid stille und erkennet!" Ich weiß
auch, daß der Geist ohne innere Ruhe keiner klaren Überle-
gung fähig ist und daß Weisheit, die Freundin der Muße, Viel-
geschäftigkeit haßt. Wenn ich auch von mir sagen muß, daß ich
niemals völlig frei von Geschäften bin, so läßt ihr Andrang
doch bisweilen, wenn auch nur ein wenig, nach, und dann
fühle ich mich befreit von ihrem Druck. Daher wollen wir in
dieser Zeit der Auferstehung im Vertrauen nicht auf unsere
Kräfte, sondern auf die Kräfte und Hilfe dessen, der gestorben
ist „um unserer Sünden willen und auferstanden ist um unserer
Rechtfertigung willen", nunmehr von der Auferstehung der
Toten und dem Ende der Zeiten handeln, ihn inbrünstig anru-
fend, er möge uns vom Tode der Seele auferwecken und uns
die Kraft verleihen, würdig über so erhabene Mysterien zu
sprechen.

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