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Harth, Dietrich [Hrsg.]
Finale!: das kleine Buch vom Weltuntergang — München, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.2939#0206

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und mit einem bestimmten Symptomkomplex einhergeht: Man
baut ab, hat kaum noch Energie, zieht sich zurück, fühlt sich
schuldig und empfindet Wut. Deprimierte Menschen blicken
jedoch nicht unbedingt hoffnungslos in die Zukunft, können
sogar eine Erholung und ein Wiederaufleben erwarten. Wer
verzweifelt, ist dagegen auch hoffnungslos, kann sich nicht
mehr auf den größeren menschlichen Zusammenhang beziehen.
Depressive Phasen gehören unausweichlich zum menschlichen
Leben. Eine tiefe Verzweiflung läßt sich indes nur bewältigen,
wenn man sowohl im Alltag als auch im gemeinsamen Kampf
gegen die Atomwaffen wieder menschliche Bindungen knüpft.
Wir überwinden unsere Verzweiflung, indem wir an eine Zu-
kunft der Menschheit glauben und uns für sie einsetzen.
10. Wer für die Rettung der Menschheit kämpft, lernt sich selbst
auf neue Weise kennen und geht in den evolutionären histori-
schen Möglichkeiten auf.

Dieses ganze Ethos kulminiert in einem erhöhten Selbst-
wertgefühl. Unser Leben und unsere Arbeit erscheinen uns
authentischer - als Physiker oder Geistliche, Wissenschaftler
oder Künstler, Lehrer oder Schüler, als äußerst bedroht leben-
de Menschen, die voller Hoffnung für eine unbedrohte Zu-
kunft arbeiten.

Günter Kunert
Elegie

Mit dem Abend zusammen

schlich ich in die Ruinen

um das weithin verschollene Gestern

wiederzutreffen und begegnete nur

willigen Leibern. Schutt

unser Bett. Umarmungen ehe

die Mauern endgültig einstürzten.

Wir waren wie Schatten anderer

jedesmal und unfaßbar.

An meinem Ohr winselten

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