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Harth, Dietrich [Hrsg.]
Finale!: das kleine Buch vom Weltuntergang — München, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.2939#0195

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durch die Auferstehung des Fleisches, gesucht: die Lücke im
Ablauf, das Andre in der Wiederkehr des Gleichen, das Stot-
tern im sprachlosen Text, das Loch in der Ewigkeit, der viel-
leicht erlösende FEHLER: zerstreuter Blick des Mörders,
wenn er den Hals des Opfers auf dem Stuhl mit den Händen,
mit der Schneide des Messers prüft, auf den Vogel im Baum,
ins Leere der Landschaft, Zögern vor dem Schnitt, Augen-
schließen vor dem Blutstrahl, Lachen der Frau, das einen Blick
lang den Würgegriff lockert, die Hand mit dem Messer zittern
macht, Sturzflug des Vogels, vom Blinken der Schneide ange-
lockt, Landung auf dem Schädeldach des Mannes, zwei Schna-
belhiebe rechts und links, Taumel und Gebrüll des Blinden,
Blut sprühend im Wirbel des Sturms, der die Frau sucht, Angst,
daß der Fehler während des Blinzeins passiert, der Sehschlitz
in die Zeit sich auftut zwischen Blick und Blick, die Hoffnung
wohnt auf der Schneide eines mit zunehmender Aufmerk-
samkeit gleich Ermüdung schneller rotierenden Messers, blitz-
hafte Verunsicherung in der Gewißheit des Schrecklichen: der
MORD ist ein Geschlechtertausch, FREMD IM EIGENEN
KÖRPER, das Messer ist die Wunde, der Nacken das Beil, ge-
hört die fehlbare Aufsicht zum Plan, an welchem Gerät ist die
Linse befestigt, die dem Blick die Farben aussaugt, in welcher
Augenhöhle ist die Netzhaut aufgespannt, wer ODER WAS
fragt nach dem Bild, IM SPIEGEL WOHNEN, ist der Mann
mit dem Tanzschritt ICH, mein Grab sein Gesicht, ICH die
Frau mit der Wunde am Hals, rechts und links in Händen den
geteilten Vogel, Blut am Mund, ICH der Vogel, der mit der
Schrift seines Schnabels dem Mörder den Weg in die Nacht
zeigt, ICH der gefrorene Sturm.

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