Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
210 Dr. Ilahn, de Ueligionis natura et ratione.
als des Dämonischen ( = übermenschlich wissenden und wir-
kenden), sondern das Hochachten und Lieben des an sich
Guten und Vollliommnen, des ayaSov Matth, q, 17, wel-
ches in dem deutschen Wort göttlich der Stammbegriff ist,
ihm der innigste Grund der Gottesverehrung und der Folgsam-
keit gegen das Göttlichgute sey. Und wer kann denn sagen,
dafs die, welche ihre Verbindlichkeiten oder Pflichten nicht aus
Furcht, sondern aus Achtung dessen, was für das Denken der
sittlichen Vollkommenheit (für das sittliche Selbstbewufstseyn) das
Erhabenste ist, in sich selbst freiwollend ableiten, Pflicht, Ehr-
furcht, Gehorsam aus der Religion zu verweisen streben?
Lactanz, indem Er religio und religatio (wörtlich = ein
Zurückgebundenwerden) für gleichbedeutend erklärt, zeigt uns,
dafs Er die Religion, wie Er sie in sich fand, nach seinem Be-
wufstseyn dadurch hatte, weil Er glaubte, dafs Gott, Gott selbst,
für sich = sibi, den Menschen (gleichsam hinweg von dem
Ungöttlichen) »zu r ückge b un den “ und durch die Fröm-
migkeit »zusammengeschnürt« habe, weil man ihm als
Herrn dienstbar seyn und als Vater folgsam seyn solle.
Diese Beschreibung des religiösen Gefühls, wie es Lactanz
in sich gefunden hat, klingt hart und der Diocletianischen Zeit
angemessen. Aber es sind seine Hauptworte: nomen religionis
a vinculo pietatis esse deductum, quod hominern Deus sibi religa-
ocrit et pietate obstrinxerit, quia seivire nos ei ut aomino, et obse-
qui ut patri necesse est.
Kein Zweifel, dafs (leider!) viele Menschen sich bewufst
sind, nur deswegen Religion zu haben, weil sie durch sich selbst
oder durch andere sich in den (allzu passiven) Glauben versetzen,
dafs nur Gott es sey, der ihnen Verbindlichkeiten auf-
lege und sie an sich, wie servos an den dominus und
wie filios an den römischen paterfamilias, festknüpfe.
Man kann auch wohl sagen, es ist besser (= ein minus malum),
dafs sie auf diese Weise, als dafs sie gar nicht Religion haben.
Aber dennoch ist es vorerst nicht eine wahre innere Thatsache,
wenn sie behaupten, sie seyen sich bewufst, dafs Gott selbst
für sich (sibi) eine solche religatio = ein Verbindlichmachen
zum servire et obsequi bewirke. Ihr Bewufstseyn sagt ihnen dies,
nur in sofern sie es selbst erst hineingelegt und eingedrückt
haben. Entsteht die Religion in einem solchem Gemüth aus einem
solchen Bewufstseyn, so bleibt dennoch psychologisch gewifs,
dafs das Bewufstwerden ein an sich leeres und nur erst für Ge-
 
Annotationen