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X». 15. HEIDELBERGER 1837.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Schriften über die Malerei der Allen von Semper, Rugierß
Hermann, Letronne, Raoul-Röchelte, Wiegmann and John.
(Fortsetzung.)
So nimmt er denn von der knidischen Venus des Praxiteles
den Kopf und die Gröfse: von der Venus des Alkamenes in den
Gärten (zu Athen) die Brust und die vordem Theile des Gesichts,
die Hand und die schönzugespitzen Finger; von der Lemnischen
Pallas des Phidias die weichen Wangen und die symmetrische
Nase; von der Amazone des Phidias den Mund und den Nachen;
von der Sosandra des Calamis das sanfte Lächeln und die Sitt-
samheit; für das Colorit aber nimmt er das Haar von der Here
des Euphranor, die Augbrauen und die Röthe der Wangen von
der Cassandra des Polygnot, den übrigen Körper von der Pahate
(richtiger Panhaste) des Apelles, die Lippen von der Roxane des
Aetion. Nun möchten wir gern hören, inwiefern in dieser Stelle
ausgesprochen seyn soll, dafs die genannten Statuen farblos ge-
wesen seyen. Es ist ganz der Natur der Sache gemäfs, das Ly-
hinos die Formen für die ideale Schönheit, die er sich compo-
nirt, von den Statuen entlehnt; nun ist es aber in der Kunst eben«
sowenig als in der Natur der Fall, dafs mit der schönsten Form
immer die schönste Farbe verbunden ist, wie die Venetianische
Malerschule am evidentesten zeigt; darum wählt er das Colorit
für sein Idealbild von den anerkannt gelungensten Parthien der
gefeiertsten Gemälde: nicht weil die Statuen nicht bemalt gewe-
sen sind, sondern weil das Vollendetste in der Farbengebung in
der Malerei, und nicht in der Sculptur, zu suchen ist. Somit
ist also mit dieser Stelle nur so viel bewiesen, dafs eirt Gemälde
des Apelles ein schöneres Colorit gehabt habe, als eine Statue
des Praxiteles, und da Niemanden einfallen wird, dies zu bestrei-
ten, so gehört diese Stelle zu denen, welche zu der vorliegenden
Frage gar nicht gehören. Dennoch nehmen wir unsern oben auf-
gestellten Satz, dafs die Griechen auch das Nackte ihrer Statuen
bemalt haben, wieder auf, und bestätigen ihn durch die an ein-
zelnen Bildern erhaltenen Farbenspuren. An dem Capitolinischen
Apoll mit den Greifen scheint das Nackte ursprünglich mit einer
XXX. Jahrg. 3. Heft. 15
 
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