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N®. 31. HEIDELBERGER 1837.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Die neue Me d e a.
( Bes chlufs.)
Zu diesem tragischen Roman des Alterthums, dessen Einzel-
heiten wir absichtlich dem Leser ins Gedächtnifs rufen, hat der
Verf. des Cicala ein freies und selbständiges Gegenstück gedich-
tet: eine christliche, katholische, italienische Medea, die in ihren
heiligsten Gefühlen und Neigungen angegriffen, im Kampfe der
Tugend mit der Leidenschaft der Rache, dieser letztem unter-
liegt und zu der schaudervollsten That geführt wird. Indefs hat
der Verf., der sonst starken Effekten nicht abhold ist, in der
Darstellung des Gräfslichen grofse Mäfsigung bewiesen, und sei-
ner Heldin die Achtung und das Mitleid des Lesers, selbst nach
dem fürchterlichen Momente, zu sichern gewufst. Wir wollen,
so weit es der enge Raum gestattet, versuchen, mit Beiseitelas-
sung aller Nebengestalten und der meisten Episoden, den Lesern
dieser Blätter einen Begriff von der Textur des Ganzen zu geben.
Ein Sturm bildet die Ouvertüre zu der Tragödie. Zu Neapel
auf dem vordersten Felsblock des Hafendammes sitzt eine Frau
von ungewöhnlicher Gestaltshöhe und Formenreichthum, unbe-
weglich im drohenden Winde, das Antlitz entfärbt, die Lippen
blafs, nur das grofse, schwarze, auf die See gerichtete Auge in
wildem Ausdrucke, zwischen Sehnsucht und Zorn, glühend. Eine
Felucke ohne Mast und Segel ringt vor ihrem Blick mit dem
Winde und wird von den Wogen gegen die Felsen geschleudert.
Aus der zurücktretenden Strömung hebt sich zu halbem Leibe
die Gestalt eines jungen Mannes hervor, welcher die Zuschauerin
in dem Augenblicke , in welchem eine Woge sie fortreifsen will,
umschlingt und rettet. Zugleich tritt seitwärts hinter einem an-
dern Felsen eine kraftvolle Männergestalt hervor, die ein junges,
zartes weibliches Geschöpf, das gleichfalls ohne Bewufstseyn ist,
blutend auf den Armen trägt. (S. 1 — i3.) So führte der Verf.
von den fünf Hauptfaktoren seines Romans gleich in der ersten
Scene vier zusammen. Was der Leser im Buche erst allmählig
erräth, sey ihm hier mit zwei Worten gesagt: der kräftige Mann
ist der Kapitän Jaques Pierre, der berühmte normannische
XXX. Jahrg. 5. Heft. 31
 
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