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Belletristik.

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Ähnlich einer Sage bei Boccaccio (Decamerone, giorn. IV. nov. V.).
Ein uraltes und grofsartiges Beispiel von gespenstischer Wieder-
belebung des Gatten durch sein Weib gewährt die Edda im
zweiten Liede von Helgi dem Hundingstödter (Lieder d. alten Edda
d. d. Br. Grimm I, 114—»19)* Daneben stellt sich ein [sehr
poetisches] deutsches Volkslied im Kuhländchen (Meinert, I, i3.
14.): das zurüchgelassene Weib mufs hier die Unvorsichtigkeit
ihrer Liebe und ihres Schmerzes mit dem Leben büfsen. Sie
klopft am Grabe des Gatten an:
„Thu dich auf, und thu dich, Erdenklols,
Und lafs mich hinunter auf seinen Schofs.“
„Was willst du denn da unten thun ?
Da unten hast du ja keine Ruh.
Da unten darfst du nichts backen,
Da unten darfst du nicht waschen;
Da unten hörst du keinen Glockenklang,
Da unten hörst du keinen Vogelgesang;
Da unten hörst du keinen Wind nicht wehn.
Da unten siehst du keinen Regen nicht sprähn.“ (~ tropfen-
weis fallen)
Da krähte die erste Hiramelstaub;
Die Gräblein thaten sich alle auf:
Die Schöne stieg 7.u ihm hinunter.
Da krähte das andere Höllenhuhn ;
Die Gräblein thaten sich alle zu ;
Die Schöne mulst’ unten verbleiben.
So kann selbst der Tod die Bande nicht losen, die den Menschen
an das Erdenleben knüpfen. Liebe und Schmerz zwingen ihn
zum Aufleben. Aber auch das mitten im Streben oder Begehren
unwillig abgerufene Leben reifst die unheimliche Macht des un-
befriedigten Verlangens zu kurzer, scheinbarer Fortsetzung her-
auf. In einem [ob ächten?] Soldatenliede des Wunderhorns (I,
73. 74.) trommelt ein todter Trommelschläger die Leichen seiner
besiegten Kameraden zusammen und sie schlagen den Feind. In
einem Klephtenliede (Fauriel I, 56.) bestellt ein sterbender Ar-
matolenführer sich ein Fensterlein ins Grab. Todte sind nach
einer deutschen Sage (Br. Grimm I, 424*) einmal aus den Grä-
ber aufgestanden, um den Ihrigen gegen den Feind beizuspringen.
[Hier, als Beitrag des Referenten, die Sage von den Rittern in
der Gruft der Burg Bucheck im Kanton Solothurn , die er aber
nur aus seiner schon 1829 gedichteten, ungedruckten Romanze
anzugeben weifs;

In Gewölben eng und schwarz
Liegen jetzt die Braven,
Können in dem dunkeln Haus
Ohne That nicht schlafen ;
Lauschen in dem stillen Grab
In den schweren Waffen;
Wie es droben geh, das macht
Ihnen stets zu schaffen.
 
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