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Gross: Erinnerungen aus den Kriegsjahren.

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Erinnerungen aus den Kriegsjahren. Vom Geh. Justizrathe Dr. J. L.
Gross. Zum Besten der Peslalozzistiftungen in Leipzig und
Dresden herausgegeben. Leipzig, in Kommission bei Leopold Voss.
1850. IV. 153. 8.
Diese Denkwürdigkeiten , deren Verf. in dem Vorwort beinahe zu
bescheiden von seinen reichhaltigen Erlebnissen spricht, liefern einen
sehr schätzenswertben Beitrag zur Kenntniss des behandelten Zeitraums
von 1792 — 1815. Aus der unmittelbaren Anschauung des sorgsamen
Beobachters und thätigen Geschäftsmannes entsprossen und zunächst auf
Leipzig als unveränderlichen Wohnort und Mittelpunkt gerichtet, liefern
sie treue und gegenständliche (^objektive} Schilderungen der bald klein-
lichen, bald grossartigen und verhängnissvollen Wirklichkeit und be-
ziehen ihren Reiz gerade aus dem subjektiven Standpunkt des anspruchs-
losen und dennoch, wie alles beweist, sehr gebildeten Erzählers. Neben
vielen Zügen der gewöhnlichen, schneckenförmig sich abhaspelnden Le-
bensprosa oder bürgerlichen Alltäglichkeit (AlisereJ treten bei plötzlich
geschehenem Umschwung der Dinge auch ernstere Darstellungen hervor
und liefern daun, z. B. in Betreff des Kaiser’s Napoleon und der Leip-
ziger Schlacht, wahrhaft geschichtliche, theilweise unbekannte Aufschlüsse
und Charakteristiken. Der Leser wird daher, was sicherlich selten be-
gegnet, in dem Büchlein weit mehr finden als es ankündigt und verheisst.
Wie beachtenswerth sind nicht, Anderes zu übergehen, die beiden, sorg-
fältig aufgezeichnelen Gespräche der Sächsischen Abgeordneten mit Na-
poleon! Sie stellen den ausserordentlichen Mann hin, wie er war nach
seinen guten und schlimmen Seiten, ohne Hass und blinde Parteinahme.
Dasselbe begegnet gegenüber andern, wenn auch minder vorragenden Per-
sönlichkeiten, z. B. dem Herzog von Braun sc hweig-Oels und dem
Kaiser Alexander. Sitten und Denkart des Volks, zunächst in der
rührigen Handelsstadt, werden in treffender, bisweilen humoristischer Weise
ohne alle Bitterkeit und übellaunige Rüge vorgeführt. Hin und wieder werden
auch laufende Vorjgrtheile und stehende Redensarten der Kritik unterwor-
fen. „Man sollte doch“, lautet eine Anmerkung (^S. 2}, „endlich die
Phrasen von Zopfthum und Zopfzeit nicht immer dem Publikum wieder-
holen und nicht vergessen, dass Göthe, Schiller, Wieland auch Zöpfe tru-
gen, Männer, deren dichterische Werke wohl mehr Genuss bereiten als
die aller unbezopften Dichter der Neuzeit. Ist es am Ende nicht reine
Modesache? Früher trug man das gesammelte Haar hinterwärts und
jetzt erscheint der edle Kopfschmuck häufig als langer Bart, gleichsam
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