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Gross: Erinnerungen aus den Kriegsjahren.

ben sie den Braunschweigern Vivat zugerufen, und heute uns; das ist ja
miserabel!“ — Der vierte Abschnitt liefert für das Jahr 1812 Unbedeu-
tendes, der fünfte für den Wendepunkt 1813 mehre belangreiche Züge
und grössere Aufzeichnungen. Letzteren gehören namentlich die Schlacht
von Lützen und das ebendaselbst mit Napoleon am Abend des Kampf-
tages (2. Mai} abgebaltene Gespräch an. Die Franzosen hätten, er-
zählte ein Stabsofficier dem Verf., kein Zusammentreffen erwartet und sich
ruhig auf dem Marsche nach Leipzig befunden, als auf einmal die Colon-
nen der Alliirten in der rechten Flanke sichtbar geworden seien. Darauf
habe der Kaiser sogleich die Schlachtordnung gebildet und bei dem deut-
lichen Mangel an Reiterei ausgerufen: „nous aurons une bataille d’Egypte!“
(S. 64.} — In dem Gespräch mit den Abgeordneten der Stadt fragte
der Kaiser, an den Verf. sich wendend: „Ihr Name?“ Gross, lautete
die Antwort, Doctor der Rechte und Mitglied des Magistrats.“ Ach, ent-
gegnete Napoleon, welcher die erste Bezeichnung aufzufassen schien, die
Universität ist nicht gerade gut gesinnt“, ^L’Universite n’est pas trop bonne}
und fragte sodann Frege: „Wer sind Sie?“ Auf dessen Antwort:
„Mitglied des Magistrats und Kaufmann“, fragte er sogleich: „Was gilt
der Zucker?“, worauf Frege mit Wahrheit antworten konnte, dass der
Centner noch 100 Tlialer gelte. Bei einer im Gespräch eintretenden
Pause bemerkte einer der Marschälle, wahrscheinlich Ney: „Sire, c’etait
une belle journee“, und Napoleon erwiderte: „ Oui, eile a fait tomber
beaucoup d’esperances.“ Diess war kein leeres Wort; denn selbst Kai-
ser Franz meldete bekanntlich neben Andern· den 11. Mai: „ J’ai cru
devoir attendre , pour effectuer cet envoi, le moment que depuis long
temps j’ai prevu, celui oü une premiere affaire aurait amorti bien
des pas sions et dissipe beaucoup de ch im er es.“ (Sic.} —
Das zweite, hier zuerst vollständig mitgetheilte Gespräch zwischen dem
Französischen Kaiser und den Leipziger Abgeordneten wurde am dritten
Julius zu Dresden im Marcolinischen Palais abgehalten; es ist ein äus-
serst merkwürdiges Document und schildert vortrefflich Zeit und Per-
sonen; die militärisch - politische Energie, das Vermögen, in allen
Administrationssachen sich schnell zu orientiren und in Folge besserer
Belehrung selbst eigenen Vorurtheilen und Ansichten zu entsagen, wie
wenn er sie selber, die neue Wendung, gefunden hätte, — diese Sei-
ten treten zu Gunsten Napoleon’s hervor, während trotziger Hoch-
muth und politisch-literarische Befangenheit wider ihn zeugen. Das Ganze
bietet eine wirklich lehrreiche, dramatische Scene, in welche die Abge-
ordneten, etliche Generale und der Kaiser verflochten sind; jene fordern
 
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