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Gross: Erinnerungen aus den Kriegsjahren.

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vor Allem Aufhebung des über Leipzig wegen etlicher Demonstrationen
verhängten Belagerungszustandes; dieser willigt auch, eines Bes-
sern belehrt, in die Endschaft des, damals in Teutschland noch ziemlich
unbekannten Instituts ein. Bei einem dritten Gespräch zu Leipzig
(14. JulQ erkundigt sich Napoleon mit besonderer Sorgfalt nach dem
Gang der Sächsischen Schafzucht und des Wollhandels, Einzeln-
heiten, welche ihm der Kaufmann Köhler zur Zufriedenheit auseinander-
legt und entwickelt. Es mag genügen, hier etliche Bruchstücke dieser
zwar nicht Platonischen, jedoch immerhin anziehenden Dialogen
mitzutheilen. In Dresden fuhr der Kaiser bei Anlass der meistens von
Studenten ausgegangenen patriotischen Manifestationen also auf: „Ihr
habt keine Energie bei Euch, Ihr habt weder Polizei, noch Energie; Ihr
seid gute Leute, die Deutschen sind gut (ist wohl jetzt anders}. Eure
Universität — (hier fehlt etwas} — die Universität zu Paris war eben
so zur Zeit Carl’s des Fünften. Diese Privilegien müssen bei Euch und
im ganzen Rheinbunde geändert werden (das geschah auch}. Ihr habt
bei Euch fünfhundert Schurken, die Eure ganze Stadt compromittiren;
der Magistrat mag nun schleunig Gericht über sie halten, und die Ord-
nung wird hergestellt seyn u. s. w. Wenn meine Feinde bei Euch sind,
so möge man Vivat schreien, so viel man will, aber dabei bedenken,
dass ich den andern Morgen wieder als Sieger einziehen kann. — Für
den Einwohner ist es das Beste, nicht zu politisiren und sich sei-
nen Geschäften zu widmen. Ausserdem muss man den Muth haben,
auf alle Annehmlichkeiten des Lebens zu verzichten, Alles
entbehren zu können, was angenehm und bequem ist, das Le-
ben selbst hinzugeben, kurz, seine Meinung mit seinem Blut zu
besiegeln. Die, welche nicht diesen Muth haben, thun besser, sich um
Nichts zu kümmern, und die Welt ihren Gang gehen zu lassen.“ — Als
ein Abgeordneter, Düfour, die grosse Mehrzahl der Leipziger als Gut-
gesinnte der Art bezeichnete und den Strassenlärm nur wenigen gefahr-
losen Schreiern zuscbrieb, fiel der Kaiser wohlgefällig ein: „Ah, mein
Lieber; was sagen Sie mir da? Glauben Sie, dass ich, der Regent ei-
nes grossen Staats, das nicht wisse? Aber dergleichen Schurken können
gefährlich werden; wir haben das in Frankreich gesehen. Denken Sie
nur an die blutigen Kämpfe vom 2. September. Tausend oder Zwölf-
hundert Schurken setzten ganz Paris in Furcht“ u. s. w. Gegen die Uni-
versitätsdeputirten bewies sich Napoleon trotz der von den Gelehrten
entdeckten Napoleoifssterne ziemlich rauh; er wiederholte mehrmals den
beliebten Ausdruck „Ideologen“, sagte jedoch nicht, wie man
 
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