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Molitor: Ueber kanonisches Gerichtsverfahren.

zur heutigen Zeit, in neun Perioden und eben so vielen Kapiteln: Von dem
Ursprünge und den apostolischen Anfängen der Jurisdiction in der Kirche; die
Zeiten der Verfolgung und die apostolischen Constitutionen; die Gesetzgebung
Konstantins und seiner Nachfolger; die Aufnahme des römischen Accusations-
verfahrens; die Zeiten des karolingischen Sendes und die purgatio canonica;
das Decret Gratians; das Recht der Decretalen; das Concilium von Trient;
Doctrin und Praxis des achtzehnten Jahrhunderts. Von diesen neun Abschnit-
ten sind die über das Decret Gratians, über die Decretalen und über das Con-
cilium von Trient mit der durch dasselbe eingeführten sententia ex informata
conscientia besonders genau und ausführlich behandelt. Erst nach dieser festen
und umfassenden historischen Grundlegung folgt in dem zehnten Kapitel: die
heutige Zeit und ihr Bedürfniss. Zur Festsetzung der für die jetzige Zeit
anzuwendenden Formen des geistlichen Strafprozesses gegen Kleriker legt
der Verfasser folgendes Ergebniss seiner Darstellung zu Grunde. „Die Ge-
richtsbarkeit der Kirche hat eine wesentliche Grundlage in der göttlichen In-
stitution der Kirche selbst. Unwesentlich dabei ist die Form, und sie kann
mit dem Wechsel der Zeiten gewechselt werden, und ist gewechselt worden,
während das Wesen stets unangetastet und stets unveräusserbar geblieben ist.
Neben dem göttlichen Rechte hat aber das menschliche Recht in der Kirche
seine unbestrittene Geltung, und dieses letztere Recht ist stets und immer in
so lange in Kraft, als es nicht in rechtlicher Weise aufgehoben ist. So be-
steht denn auch noch bis zur heutigen Stunde das Recht der Decretalen, als,
abgesehen von dem Tridentiner Concil, der jüngsten Hauptquelle des kirchli-
chen Rechtes, und auf diese Quelle müssen wir nothwendiger Weise zurück-
gehen, wenn die Frage aufgeworfen wird, wie das Verfahren vor dem geist-
lichen Forum einzurichten sei. Das Zurückkommen auf dieses Recht der De-
cretalen ist aber nicht nur der einzige Weg, eine sichere, zuverlässige Grundlage
für die praktischen Bedürfnisse der Gegenwart zu gewinnen, sondern es ist
auch in der That praktisch möglich und ausführbar, jene Bestimmungen des
Decretalenprocesses, wie wir zu zeigen versuchen werden, auch heutigen
Tages noch anzuwenden.“
In diesem Geiste und von dieser Grundlage aus gibt der Verfasser sodann
in gedrängter Uebersicht einen Umriss der Organisation und des Strafprozess-
verfahrens der geistlichen Gerichte, wie sie ihm am zweckmässigsten scheinen.
Bei der Organisation erklärt er sich gegen die Aufstellung von Promotoren;
er nimmt bei der bischöflichen Curie das geistliche Strafgericht in der Weise
bestellt an, dass ein Official (oder Generalvicar) die ihm vom Bischöfe man-
dirte kanonische Strafgerichtsbarkeit über die ganze Diöcese auszuüben habe.
Ihm soll eine Anzahl von Assessoren oder Auditoren beigegeben werden,
jedoch nur mit consultativem Votum, ohne die Jurisdiction des Officialen oder
Generalvicars zu beschränken. Kanonische Notare sind zu ernennen theils
am Sitze der bischöflichen Curie selbst, theils an andern geeigneten Orten
der Diöcese. Was das Prozessverfahren betrifft, so bleibt er bei dem jetzt
allenthalben regelmässig in Uebung stehenden Inquisitionsprozesse und stellt
dessen Gang bezüglich der Einschreitung gegen Kleriker übersichtlich und
mit präciser Klarheit dar.
Was den innern Geist der Schrift betrifft, so zeigt sich überall eine über-
 
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