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Maury: Die physische Geographie des Meeres.

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Wie die Luftströmungen der Regulatoren für die klimatischen Erscheinungen
auf der Erdfläche, und also auch für das Thier- und Pflanzenleben auf dersel-
ben sind, so sind die Meeresströmungen Regulatoren für das Leben im Ozean,
und dieses Leben ist ein höchst mannigfaltiges. Ein wesentliches Moment bei
der Erklärung der Strömungen ist nebst der Verdunstung durch Wärme der Salz-
gehalt des Meereswassers. Da das Salz bei der Verdunstung zurück bleibt, so wird
das Wasser, obgleich wärmer, doch schwerer, da es salzreicher wird, so dass
gar wohl kaltes Wasser leichter sein kann als warmes. Daneben hat das Salz-
wasser die Eigenschaft, sich bis zum Gefrieren zusammenzuziehen, also nicht etwa
wie das süsse sich in der Nähe des Gefrierpunktes auszudehnen. Diese Eigen-
schaften werden bei Erklärungen der Meeresströmungen wesentlich zu beachten
sein. Betrachten wir etwa das rothe Meer, das von dürren Länderstrichen ring«
umgeben ist und über das hin meist glühend heisse Winde wehen. Eine natür-
liche Folge ist eine äusserst heftige Verdunstung, die auf mindestens Vz Zoll
täglich angenommen werden kann, während durch Regen dem Meere kein Zu-
fluss kommt. Dadurch wird das Wasser des rothen Meeres, wenn gleich warm,
sehr salzreich also schwer, zugleich sinkt sein Spiegel und es muss also noth-
wendig eine heftige Strömung durch die Meerenge Bab-el-Mandeb in das Becken
eindringen, um eine Ausgleichung hervorzubringen. Allein strömt auch eine 10 Fus«
hohe Welle in die Mündung ein, und braucht dieselbe nur 40 Tage bis sie nach
Suez gelangt ist, so wird sie durch die tägliche Verdunstung 2 Fuss verloren
haben, so dass ganz nothwendig der Spiegel dieses Meeres eine gegen Suez hin
geneigte Fläche bilden muss. Eine Folge der Einströmung ist nothwendig die
Ausströmung des schwerem — weil salzreichern Wassers des rothen Meeres, die
unter jener vor sich gehen muss, da sonst dieses salzreichere Wasser seinen Ueber-
schus3 an Salz absetzen und so den Boden mit Salzkrystallen bedecken würde, was
nicht der Fall ist. Aehnlich verhält es sich mit den Strömungen in der Meerenge
von Gibraltar. Eine Strömung, ähnlich dem Golfstrom, geht vom indischen Meere
aus östlich von Asien hin bis zu den Aleuten, wo sie dann im stillen Ozean «ich
ausbreitet, während neben und unter ihr eine kalte Strömung stattfindet. Daher
rührt, wie bei Amerika, das rauhe Klima Ostasiens. Mehr lokale Strömungen
finden sich überhaupt eine grosse Menge im Ozean und ihre Ursachen sind
wesentlich immer Störungen des Gleichgewichts. Wird an einer Stelle eine
Menge Meerwasser verdunstet, so wird dorthin eine Strömung kalten (aber
weniger salzreichen) Wassers entstehen} wird durch ungeheure Regengüsse, wie
sie häufig stattfinden, an einer Stelle eine Menge Süsswasser in die See ergos-
sen, so werden gleichfalls Strömungen entstehen, u. s. w. Da man aber im
Allgemeinen das Meerwasser überall von derselben Beschaffenheit gefunden hat,
so liegt darin ein thatsächlicher Beweis von der fortwährenden Ausgleichung
mittelst der Strömungen. Eine unterseeische Strömung geht durch die Davis-
strasse in das (amerikanische) Nordmeer, wie dies dem Auge schon dadurch
bemerkbar wird, dass Eisberge oft mit reissender Schnelligkeit sich nach Norden
durch dieselbe bewegen, während doch die Oberflächenströmung nach Süden
gewendet ist. Diese unterseeische Strömung enthält, als von Süden kommend,
wärmeres Wasser als das Nordmeer, so dass es schon von vorn herein klar
sein musste, sie werde irgendwo zu Tage treten und dadurch ein eisfreie«
wärmeres Meerbecken mitten in der Eiswüste hervorrufen. Wirklich bat man
dieses Becken gefunden und ist auf demselben gesegelt.
 
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