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660 Jan: C. Plini Secundi naturalis historiae libri XXXVII.
Hiermit schliesse ich den ersten Theil meiner Recension und
gehe zur Betrachtung des Textes, den Jan aufstellte über. P. V—VII
gibt er als Nachtrag zu seinem ersten Bande die Lesart des cod.
rescriptus, welchen er nach mir Moneus nennt und mit M. bezeich-
net. Auffallend war mir, dass Jan, der sich doch viel mit diesem
Schriftsteller abgegeben hat, es nicht entdeckte, dass die indices
des Plinius von einer andern Feder herrühren als der Text, mit-
hin eine an zahlreichen Stellen hervortretende Differenz zwischen
indices (d. h. 1. Buche) und den folgenden Büchern auf den ersten
Blick bemerkbar ist. Da er nun einmal aus Mangel an kritischem
Scharfblick zu diesem Resultate in seinen Pliniusstudien nicht ge-
langte, so sucht er gewaltsam die indices mit dem Werke selbst
und umgekehrt in Einklang zu bringen, daher wird im Texte hin
und wieder Conjectur auf Conjectur gehäuft, und ebenso im In-
haltsverzeichniss versezt, emendirt und verändert, bis die Harmonie
zwischen beiden nothdürftig hergestellt scheint. Ein Beispiel da-
von gibt der index libri XI, wo der codex rescriptus p. 3, 15
(dieses Citat bezieht sich immer auf mein Buch) lautet: aetas ru-
minantium. Da dieses nun mit §. 168 des 11. Buches nicht
übereinstimmt, weil dort p. 37, 25 aetas veterinorum gele-
sen wird, so las Sillig aetas animantium und Jan vermuthet
aetas veterinorum et ruminantium, obschon 4 und gerade
die besten Codices dagegen sprechen, weil aber einmal bei Sillig
und Jan die vorgefasste Meinung, das Vorurtheil oder Dogma exi-
stirt: indices und Text müssen identisch sein, so ist die Autorität
von 4 Hss. ignorirt worden. Ganz derselbe Fall ist auf p. VI, wo
im index libri XIV nach p. 178, frugiferae gelesen wird, aber
fructifera p. 136, 17 steht; hier weiss der Verfasser sich gar
nicht zu helfen! Andere Stellen in dieser Textcritik zeigen eben-
falls, wiel wenig die Autoritas codicis der Subjectivität und philo-
logischen Selbstüberschätzung des Verfassers gegenüber gilt, und
an welchem Standpunkte der Philologie dieser noch immer fest-
hält. Es gab eine Zeit, wo die Verleger, Buchhändler und selbst
die Herausgeber der Classiker sich rühmten bei ihren Ausgaben kei-
ne Codices gesehen zu haben; es als ein Glück priessen, dass fast
keine Handschriften darüber existiren, und so den freien Conjecturen
und Emendationen des Herausgebers gar keine Schranke gesezt sei.
Ich erinnere mich Aehnliches in einer Berliner Ankündigung einer
Ausgabe Jm. Bekker’s selbst gelesen zu haben. Wer der neuesten
Richtung in allen Wissenschaften folgt, wird auch in der Philologie
dahin kommen, nur auf die Empirie d. i. hier die Sprachbeobach-
tung und das Factum d. i. die feststehende handschriftliche Lesart
einen Werth zu legen; alle subjectiven, idealistischen Emendationen
und dogmatischen Ansichten haben gar keinen objectiven Werth.
Dass Jan jene frühere Richtung der Textkritik theilt, gibt er
selbst bei folgendem Anlasse zu verstehen: serantur liesst der
cod. Moneus p. 178, 3; es hat aber Sillig gefallen ferant zu le-
 
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