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Nr. 49.

HEIDELBERGER


Weber: Allgemeine Weltgeschichte.

(Schluss)
„Unter den ständischen Kämpfen in dem königlichen und patri-
cischen Korn entwickelten sich die beiden Grundeigenschalten des
römischen Charakters, die Mannheit (Airtus) und der Rechtsverstand
(prudentia); auf jener beruhte die kriegerische Tugend und das stolze
Bewusstsein der Kraft, auf dieser die scharfe Ausbildung der Rechts-
begriffe von Staat, Person und Besitzthum. Die Entwickelung und
Anwendung dieser beiden Eigenschaften bildet den Hauptinhalt der
innern und äussern Geschichte Rom’s, bis Herrschsucht, Parteileiden-
schaft und Willkür sie trübten und zum Missbrauch führten. Mann-
haftigkeit und Rechtssinn lehrten die Bürger des alten Rom ihr Ge-
meinwesen nach Aussen schützen und vergrössern, nach Innen Recht
und Ordnung aufstellen. Weder in dem starren Festbalten am Her-
kömmlichen, noch in willkürlichen Neuerungen, sondern in einer le-
bendigen Fortbildung und Erweiterung der überkommenen und be-
stehenden Satzungen sahen sie die wahre Aufgabe des römischen
Bürgers, in der Wohlfahrt und Grösse des Vaterlandes das höchste
Ziel des Handelns und Strebens (Pietät). Die Herrschaft des stricten
' Gesetzes über Alle war dem römischen Bürger die wichtigste Le-
bensform. Darum hielten die Plebejer, während sie um Rechtsgleich-
heit mit den Patriziern aus allen Kräften rangen, doch strenge die
alten Bestimmungen von Unterordnung des Sohnes und der Ehefrau
unter die Gewalt des Hausvaters fest und hüteten sich die uralten
Geschlechtsverbände und Familiengliederungen zu lockern oder auf-
zulösen. Und, als -sie endlich die Rechtsgleichheit errungen und,
mit den Patriziern zu einem gesetzesstarken Gemeinwesen vereinigt,
die umliegenden Völkerschaften mit der Stärke ihres waffengeübten
Armes bezwangen, da ehrten sie auch in den Unterworfenen das
bürgerliche und menschliche Recht, indem sie sowohl die stammver-
wandten Latiner, als die übrigen italischen Völker durch billige
Bun des rechte mit dem siegreichen Staat in ein Rechtsverhält-
niss zu setzen bemüht waren. Die Grösse des Vaterlandes war das
gemeinsame Ziel aller Bürger, darum wurde auch die Stellung der
Bundesgenossen, der Schutzhörigen und Untergebenen auf billiger
Grundlage geordnet, ohne Spoliation und Bedrückung und fern von
Eigennutz und Habsucht. Nur den Abtrünnigen und Treulosen traf
schwere Züchtigung. Auch in der Festsetzung der eigenen staats-
bürgerlichen Rechte und Verfassung beurkundeten sie die dem römi-
schen Charakter eigentbümliche Mässigung und Selbstbeherrschung 5
LIV. Jahrg. 10. Heft. 49
 
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