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Ur. 53.

HEIDELBERGER

1861.

JAHRBÜCHER MR LITERATUR.

Recht, Leben und Wissenschaft für Gebildete aller Stände von C.
Fr. J. Gotting, Obergerichtsanwalt in Hildesheim. Zweites
Heft. Geber die beiden erlaubten Arten des Mordes und die
staatlichen Brutanstalten zur Vermehrung der Verbrechen.
Hildesheim 1861.
Zwei Fragen sind es, über deren Beantwortung Jeder, der an
Gesetzgebungsarbeiten über Strafrecht Theil nimmt, vorerst im Rei-
nen sein muss: es ist die Frage über Beibehaltung der Todesstrafe
und die über Verbesserung der Strafanstalten. Wer die mit jedem
Jahre in den Staaten wachsende Zahl der Stimmen beachtet, die
gegen die Todesstrafe sich erheben , wer bemerkt, wie immer mehr
die Regenten, in deren Hand es liegt, durch ihre Unterschrift über
Leben oder Tod eines Menschen zu entscheiden, durch die ver-
mehrte Zahl der Begnadigungen das marternde Gefühl, das bei Be-
stätigung eines Todesurtheils sie ergreift, und das innere Widerstreben
gegen die Anwendung der Todesstrafe ausdrücken, kann nicht zwei-
felhaft darüber sein, dass die Zeit nahe ist, in welcher über die Todes-
strafe die öffentliche Stimme den Stab brechen wird. Auch die Art,
mit welchen schwachen Gründen diese Strafart noch von den Ge-
lehrten vertheidigt wird, und die Weise, wie die Abgeordneten in
den Kammern, wenn die Berathung über Beibehaltung der Todes-
strafe vorkömmt, in einer Art von Selbsttäuschung ihre Hoffnung,
dass einst die Zeit kommen wird, wo diese Strafe nicht mehr noth-
wendig sei, sich aussprechen, aber beifügen, dass diese Zeit noch nicht
gekommen ist, ist für den aufmerksamen Beobachter ebenso bedeu-
tungsvoll, als die Erscheinung, dass in jedem neuen Strafgesetzbuche
die Zahl der Verbrechen, für welche Todesstrafe gedroht wird, immer
kleiner wird. Die Frage über Todesstrafe- hängt aber auf das Ge-
naueste mit der Gefängnisseinrichtung und diese mit dem Strafprin-
zip zusammen. Die vermehrten Erfahrungen über die Fälle, in wel-
chen die schwersten Verbrecher, z. B. Mörder, die zur Todesstrafe
verurtheilt, aber dann begnadigt wurden, in der Strafanstalt so mu-
sterhaft sich betrugen, dass sie nach 10 oder 12 Jahren Strafzeit
völlig begnadigt wurden, müssen den Gesetzgeber auf die bessernde
Kraft eines gut durchgeführten Gefängnisssystems aufmerksam ma-
chen, und die Regenten zur ernsten Erwägung bringen, ob sie wa-
gen können, in der Lage, in welcher sie berufen sind, zu ent-
scheiden über Bestätigung eines Todesurtheils, mit Sicherheit aus-
zusprechen, dass der Verurtheilte doch nie mehr gebessert wer-
den könne, daher hinzurichten sei. Der neuerlich in St. Gallen vor-
gekommene Fall, wo eine Frau, die ihren Ehemann gemordet hatte,
LIV. Jahrg. 11. Heft. 53
 
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