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Nr. 51. HEIDELBERGER 1B61.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR

Johannes Scotus Erigena. Ein Beitrag zur Geschichte der Philo-
sophie und Theologie im Mittelalter von Dr. Johannes FIu-
b er, Professor der Philosophie an der Universität München.
München, Verlag der Lenlner’sehen Buchhandlung (F. Stahl).
1861. XII S. u. 442 S. gr. 8.
Kaum kennt die Geschichte der Philosophie des Mittelalters eine
merkwürdigere Persönlichkeit, als die des Johannes Scotus Eri-
gena. Mit einer christlich-religiösen Begeisterung verbindet er einen
tiefen Blick philosophischer Forschung, der an Vorurtheilslosigkeit
selbst mit den Denkern der neuen Zeit wetteifert. Man hat ihn
bald als einen Scholastiker, bald als einen Mystiker betrachtet, bald,
wie Heinrich Schmid in der Geschichte der Mystik des Mittel-
alters, zum Vater des noch nicht feindlich auseinander gegangenen
Scholasticismus und Mysticismus machen wollen. Seine Lebensge-
schichte ist eben so dunkel, als seine theologischen und philosophi-
schen Schriften und der Inhalt seines Systems von vielen Seiten
noch immer einer gründlichen und unparteiischen Erörterung und
Aufhellung bedürfen. Nur aus der objectiv gehaltenen Darstellung
der Schriften des Erigena kann ermittelt werden, in welchem Sinne
sein System Pantheismus ist, und welche Verdienste er um den Ent-
wicklungsgang der Philosophie durch seinen Versuch, die Transcen-
denz Gottes mit seiner Immanenz zu vermitteln, sich für alle Zeiten
erworben hat. Seit den gründlichen Untersuchungen von Floss in
seiner trefflichen Ausgabe der Werke Erigena’s (opera, quae
supersunt, omnia ed. Henr. Jos. Floss, tom. unic. Parisiis, 1853)
ist Manches vorgearbeitet, was der Herr Verf., der nach einer ganz
richtigen Methode den Erigena nur durch sich selbst darstellen
will, mit lobenswerther Umsicht und Sachkenntniss zu seinem Zwecke
verwendet hat. Schon die Vorarbeit des gelehrten Herrn Verf. zu
dem vorliegenden Buche, die Philosophie der Kirchenväter,
hat mit Recht allgemein eine günstige Beurtheilung gefunden, welche
gewiss dadurch nicht geschwächt wurde, dass dieses aus den Quellen
geschriebene, seinen Gegenstand vorurtheilslos behandelnde Werk in
das Verzeichniss der von Rom verbotenen Bücher laufgenommen
worden ist.
In dem vorliegenden Werke soll uns, was den Erigena be-
trifft, „ein vollständiges Bild seines Denkens und Wissens“ gegeben
werden. Darum wurden auch Erigena’s Bemerkungen zur Na-
turwissenschaft, Wissenschaftslehre, Logik u. s. w. aufgenommen,
wenn sie gleich nur von unserem Philosophen den Werken Anderer
entnommen waren. Die Schrift de praedestinatione wurde ausfübr-
LIV. Jahrg. H, Heft. 51
 
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