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Nr. 54.

HEIDELBERGER

1861.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Pressel und Keim: Ueber Ambrosius Blaurer.

(Schluss.)
Im Jahre 1538 aus Würtemberg zurückgekebrt, blieb Blaurer
nach einem kurzen Aufenthalt in Augsburg, wohin er als Superin-
tendent berufen, in seiner Vaterstadt, die 1541 durch eine schwere
Pest heimgesucht ward, der auch Blaurer’s Schwester Margarethe,
wegen ihres stets und insonderlich während der schrecklichen Zeit be-
währten Liebeseifes die Perle genannt, und Blaurer’s Vetter und
Amtsbruder, der Pfarrer Zwick, erlagen. An letzterem verlor
Blaurer „sein zweites Ich, den Freund, der in seltenem Masse ein
Herz und eine Seele mit ihm gewesen“. (Pressel, pag. 444- 467).
Aber es sollten noch schwerere Zeiten für Blaurer und für Kon-
stanz kommen. Ganz unversehends ward die Stadt von Kaiserlichen
überfallen und zur Annahme des Interims gewaltsam gezwungen;
am 13. October 1548 ward der letzte evangelische Gottesdienst in
tiefer Trauer in der Stadt gefeiert und am 15. October der zwanzig
Jahre lang ausgesetzte katholische Gottesdienst wieder eröffnet, Kon-
stanz selbst aus einer freien Reichsstadt eine östreichische Besitzung.
Viele Einwohner, darunter die Pfarrer, verliessen die Stadt. Wie
ein alter Chronist berichtet (Pressel, pag. 475): „Da sie nun
Gottes Wort verlassen , sind sie gefallen in die Ungnad und Zorn
Gottes und dieweil sie vorhin Gottes Worts und christenlicher Re-
ligion waren, haben sie Gottes Huld und Beistand gehabt, und jetzt
hat er sie gemacht zum Erzengel seines Zorns. Als nun das In-
terim angenommen, da mochten die Prediger des Evangeliums viel
mehr Platz haben, derhalben Ambros. Blaurer, der bei der Kirchen
sidert dem Sturm treulich geblieben, in aller Gefahr zog zur Stadt
aus auf den 28. Augusten nach dem Befehl Christi, Matth, am 10.
Die andern Prediger verharrten bis auf den 13. October, da zogen
auch sie und liessen sich nieder in der Aidgenossenschaft. Also
vergingen die christlichen Schulen sampt dem Buchgewerb, dadurch
bisher bisher die cbristenlich Religion gefördert, ging auch ab alle
Zucht und Ordnung und ward gepflanzt Abgötterei und falsche Lehr;
auch wuchs daneben auf täglich Schänd und Laster, also dass sich
der Tag in die Finsterniss verwandelt und die Konstanzer ihre Nach-
barn weit übertreffen in Ueppigkeit als die, denen Christus nit also
treulich gepredigt war“ (Pressel, pag. 468—485).*)
*) Wie sich Esslingen durch die Interimsnöthe glücklich hindurchwand
und die weiteren Geschicke dieser Kirche, die dem Evangelium bis auf den
heutigen Tag erhalten wurde, erzählt Keim pag. 126—167.
LIV. Jahrg. 11, Heft.

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