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Pressel und Keim: Ueber Ambrosins Blaurer.

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Widerlegung aus Gottes Wort sich nicht einlassen wollte, bald so
unhaltbar und unerträglich, dass er, dem Befehle des Herrn folgend,
„den Staub von seinen Füssen schüttelte“ und aus dem Kloster ent-
floh, freilich zum grossen Kummer seiner bejahrten Mutter, die es
lange nicht verwinden konnte, dass „ihr Sohn, bis dahin ihr Stolz,
nun ein Aergerniss für viele Altgläubige werden und sie selbst ihren
alten Hausfreunden entfremden sollte“. Blaurer selbst rechtfertigte
später seinen Austritt aus dem Kloster dursch eine ausführliche
Schrift an „einen ehrsamen weisen Rath zu Konstanz“ vom Jahre
1523, welche Pressei pag. 5 —17 mittheilt. Ein in jeder Weise
gleich ausgezeichnetes pro memoria, das, wie es uns einerseits einen
tiefen Blick in Blaurer’s reformatorische Entwicklung gestattet, so
andrerseits namentlich in der kräftigen Vertheidigung Luther’s gegen
Vorwürfe, die man zum Theil bis auf den heutigen Tag ihm und
unserer Kirche machen hört, noch jetzt seine schlagende Wahrheit
behauptet.
So kehrte denn Ambrosius am 8. Juli 1522 in seine Vater-
stadt Konstanz zurück. Hier waren schon seit dem Jahre 1519
Luther’s Schriften unter dem Volke verbreitet und die Pfarrer Wind-
ner, Mätzler und Wanner, denen das Volk mit grossem Beifall zu-
hörte, hatten bereits mit der Verkündigung des Evangeliums einen
Anfang gemacht und schon begann das Volk sich nach einem Führer
umzusehen, „der ihren Ahnungen das feste Wort, ihren Wünschen
den beredten Ausdruck, ihren Forderungen den gehörigen Nachdruck
gäbe“. Bald ward auch Ambrosius, der den mancherlei Lockungen,
in’s Kloster zurückzukehren, festen Herzens widerstand, die Seele
aller reformatorischen Fortschritte in Konstanz. Denn obgleich er
erst im Jahre 1525 ein Pfarramt förmlich übernahm, so hatte er
doch schon lange zuvor in der Stille durch seine Rathschläge einen
entscheidenden Einfluss auf den Rath selbst geübt, und wenn be-
reits im Jahre 1526 die Reformation so entscheidend die Ueberhand
gewonnen, dass der Konstanzer Bischof es für angemessen hielt,
seinem uralten Bischofssitze Valet zu sagen, um in dem kleinen
Städtchen Meersburg ein Asyl zu suchen, so war diess insonderheit
eine Folge von Blaurer’s evangelischer Entschiedenheit. Die von
Press el pag. 18—170 in dreizehn Kapiteln (Anfang der Refor-
mation in Konstanz; die Versuchung; Blaurer’s Zuwarten und Zu-
sehen; Blaurer’s Bekanntschaft mit Zwingli; Blaurer tritt an die
Spitze der reformatorischen Bewegung in Konstanz; neuer Streit
zwischen den Prädikanten und Antonius Pirata; Religionsgespräch
zu Baden im Aargau; Prediger beschickt für gross und klein Rath;
die katholische Partei in Konstanz weicht und wankt; die Berner
Disputation; Vollendung der Reformation in Konstanz) ausführlich
und in ihren Details geschilderte Reformirung von Konstanz ist in
hohem Grade lesenswerth; für unsern Zweck genügt es, hervorzu-
heben, dass überall für tägliche Predigt des Evangeliums ge-
sorgt und auch durch eine Zuchtordnung eine Sittenreform
 
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