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Horatius Episteln von Feldbausch.

soll ich, ohne auf Nachsicht meine Hoffnung zu stützen, vor Fehlern
mich hüten? In diesem (letzten) Falle, — wenn ich also regelrechte
Verse dichte, bin ich allerdings dem (gerechten) Tadel entgangen,
dem Makel der Schuld, der mich sonst treffen würde, aber ich habe
damit noch nicht das Verdienst errungen, ein (wahrer) Dichter zu
sein: was aber ein solcher zu leisten hat, wird man am besten aus
deu Griechen ersehen und darum ihrem Studium sich vor Allem zu-
wenden müssen. Diese Erklärung, die mit der des ältesten Ausle-
gers des Horatius, des Florentiner Landinus zusammentrifft — des-
sen Leistungen wir uns freuen, unlängst in einem Münstei’schen
Programme*) wieder nach Gebühr gewürdigt und näher dargestellt
zu sehen, namentlich was seine Erklärungen zu Horatius und Vii-
gilius betrifft — erscheint unter den zahlreichen Erklärungen, welche
diese Stelle hervorgerufen hat, als die einzig haltbare und den
Worten wie dem Sinne des Dichters entsprechend. Denn dass mit
an eine Gegenfrage eingeleitet wird, deren Sinn das Gegentheil der
vorhergegangenen Frage enthält, wird man schon aus grammatischen
Gründen nicht bestreiten können; noch weniger aber wird man die
Schwierigkeit der Erklärung durch Verwandlung des an in ut (wie
Brentley wollte) beseitigen wollen. Vermeidet der Dichter die Fehler
— eben weil er glaubt, das jetzige Publikum, das ihn liest oder
hört, erkennt sie auf der Stelle — so ist er dann allerdings tutus,
gesichert gegen jeden Vorwurf und hält sich mit aller Vorsicht in-
nerhalb der Gränzen, wo er, auch wenn im Uebrigen nicht z\lles voll-
kommen sein sollte, doch auf Nachsicht sicher hoffen zu können glaubt.
Aber, wenn er also auf diese Weise von jeder Schuld (die das trifft,
was nicht richtig, also tadelnswerth ist) sich frei erhalten hat, so ist
er darum noch kein Meister der Poesie; um diess zu erringen, sind
noch andere Dinge nöthig, vor Allem ein sorgfältiges Studium der
griechischen Dichter und eine daraus hervorgegaugene Bildung. Diess
und nicht anders ist, wie es uns scheinen will, der eigentliche Sinn
dieser Stelle. Verschiedene andere Auslegungen, wie sie in neuester
Zeit hier versucht worden sind, werden des Näheren vom Verf. bei
dieser Gelegenheit besprochen, aber mit gutem Grunde abgelehnt.
— Noch wollen wir eine schwierige und verschieden aufgefasste
Stelle anführen, in deren Uebersetzung und Erklärung uns der Verf.
das Richtige, wie kaum Andere vor ihm, getroffen zu haben scheint;
wir meinen die Verse 319—322:
Interdum speciosa locis morataque recte
Fabula nullius Veneris sine pondere et arte
Valdius oblectat populum meliusque moratur,
Quam versus inopes rerum nugaeque canorae,
welche in der Uebersetzung also lauten:
„Ein Drama mit besonders ansprechenden Situationen und
richtiger Charakterzeichnung, ohne zierlichen Schmuck,
*) Von Ferdinand Deycks zum Index Lectionum des Wintersemesters
1861 auf 1862.
 
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