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Zur Geschichte des römischen Dekumatenlandes,
war. Die Märker bildeten öfters einen Stamm und das ganze
Gebiet, welches derselbe in gemeinsamen Besitze einnahm hiess
allgemein Mark. Gewöhnlicher bildeten jedoch mehrere Marken
das Gebiet der alten Stämme, d. h. den Gau.
Feste Grenzen hatten aber weder die Gemarkungen und die
Gaue, noch die Stämme. Die Grenzen wurden naturgemäss durch
Flüsse, Gebirge oder durch uncultivirtes Land, nämlich Wälder,
Haiden, Moore u. s. w. gebildet.
Die grossen Urmarken und Markgenossenschaften entstanden
wohl mit den ersten bleibenden Ansiedelungen, denn der Hirt, so
wie er nicht mehr nomädisirt, bedarf nothwendig grosser Flächen,
Weiden, Wiesen und Wälder zur Ernährung seines Viehes.
Zu Cäsars Zeiten waren die meisten deutschen Stämme bereits
sesshaft und bebauten das Land, wenn sie auch noch kein festes
Grundeigentbum gehabt haben sollten. Fest geschlossene Stammes-
grenzen gab es indessen wohl noch nicht, wie aus den damaligen
grossen Wanderungen mit Hab und Gut hervorzugehen scheint.
Wenn also der nomadisirende Völkerbund der Sueven, die gens
Suevorum in 100 pagos zerfallen sein soll, so sind hierunter we-
niger Gaue lokaler als personaler Natur, also mehr einzelne kleinere
Völkerschaften zu verstehen, die natürlich, wenigstens zeitweise
ein besonderes Territorium umfassten, wovon aber doch niemals
als solchem die Rede war, gerade wie immer nur von den kelti-
schen Helvetiern u. s, w. gesprochen wurde, nicht von einem Lande
Helvetien.
Auch in den keltischen Landschaften heisst nämlich ein Gau
stets richtiger Völkerschaft, welche Bedeutung dort auch dem um-
fassenderen Worte civitas zukommt, worunter also anfangs weder
Stadt an sich, noch auch Stadt sammt Gebiet, sondern Gau zu
verstehn ist. Gallien bestand nämlich, als es unter römische Herr-
schaft kam, aus unabhängigen Völkerschaften, hier civitates genannt,
die oft wieder in mehrere Unterabtheilungen oder einzelne Stämme,
Untergaue (pagi) zerfielen. Manche der gallischen Völker zählten
eine grosse Anzahl von Städten oder bewohnten Ortschaften, so
die ursprüngliche grosse civitas Helvetiorum, welche in 4 pagos
getheilt war, (worunter z. B. der pagus Tigurinus) worin 12 op-
pida und an 400 vici enthalten waren (also 4 als Grundzahl).
Auch die Arverner waren in mehrere einzelne pagos getheilt. Diese
antike Art dei’ Eintheilung der einzelnen gallischen Staatsgebiete,
die Cäsar noch vorfand, und wornach die civitates vielfach wieder
in Distrikte, pagi, getheilt waren, überdauerte aber seine Ankunft
nicht lange, indem die grossem dieser ursprünglichen civitates
meist in eine Mehrheit kleinerer Stadtgebiete etwa von der Grösse
der alten pagi aufgelöst wurden. — Schon unter Augustus wurde
die alte Gauverfassung überhaupt vielfach geschmälert, ohne dass
dieselbe jedoch überall vollständig zerstört werden konnte. So
wurden in der alten civitas d. h. Völkerschaft der Helvetier später
Zur Geschichte des römischen Dekumatenlandes,
war. Die Märker bildeten öfters einen Stamm und das ganze
Gebiet, welches derselbe in gemeinsamen Besitze einnahm hiess
allgemein Mark. Gewöhnlicher bildeten jedoch mehrere Marken
das Gebiet der alten Stämme, d. h. den Gau.
Feste Grenzen hatten aber weder die Gemarkungen und die
Gaue, noch die Stämme. Die Grenzen wurden naturgemäss durch
Flüsse, Gebirge oder durch uncultivirtes Land, nämlich Wälder,
Haiden, Moore u. s. w. gebildet.
Die grossen Urmarken und Markgenossenschaften entstanden
wohl mit den ersten bleibenden Ansiedelungen, denn der Hirt, so
wie er nicht mehr nomädisirt, bedarf nothwendig grosser Flächen,
Weiden, Wiesen und Wälder zur Ernährung seines Viehes.
Zu Cäsars Zeiten waren die meisten deutschen Stämme bereits
sesshaft und bebauten das Land, wenn sie auch noch kein festes
Grundeigentbum gehabt haben sollten. Fest geschlossene Stammes-
grenzen gab es indessen wohl noch nicht, wie aus den damaligen
grossen Wanderungen mit Hab und Gut hervorzugehen scheint.
Wenn also der nomadisirende Völkerbund der Sueven, die gens
Suevorum in 100 pagos zerfallen sein soll, so sind hierunter we-
niger Gaue lokaler als personaler Natur, also mehr einzelne kleinere
Völkerschaften zu verstehen, die natürlich, wenigstens zeitweise
ein besonderes Territorium umfassten, wovon aber doch niemals
als solchem die Rede war, gerade wie immer nur von den kelti-
schen Helvetiern u. s, w. gesprochen wurde, nicht von einem Lande
Helvetien.
Auch in den keltischen Landschaften heisst nämlich ein Gau
stets richtiger Völkerschaft, welche Bedeutung dort auch dem um-
fassenderen Worte civitas zukommt, worunter also anfangs weder
Stadt an sich, noch auch Stadt sammt Gebiet, sondern Gau zu
verstehn ist. Gallien bestand nämlich, als es unter römische Herr-
schaft kam, aus unabhängigen Völkerschaften, hier civitates genannt,
die oft wieder in mehrere Unterabtheilungen oder einzelne Stämme,
Untergaue (pagi) zerfielen. Manche der gallischen Völker zählten
eine grosse Anzahl von Städten oder bewohnten Ortschaften, so
die ursprüngliche grosse civitas Helvetiorum, welche in 4 pagos
getheilt war, (worunter z. B. der pagus Tigurinus) worin 12 op-
pida und an 400 vici enthalten waren (also 4 als Grundzahl).
Auch die Arverner waren in mehrere einzelne pagos getheilt. Diese
antike Art dei’ Eintheilung der einzelnen gallischen Staatsgebiete,
die Cäsar noch vorfand, und wornach die civitates vielfach wieder
in Distrikte, pagi, getheilt waren, überdauerte aber seine Ankunft
nicht lange, indem die grossem dieser ursprünglichen civitates
meist in eine Mehrheit kleinerer Stadtgebiete etwa von der Grösse
der alten pagi aufgelöst wurden. — Schon unter Augustus wurde
die alte Gauverfassung überhaupt vielfach geschmälert, ohne dass
dieselbe jedoch überall vollständig zerstört werden konnte. So
wurden in der alten civitas d. h. Völkerschaft der Helvetier später