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Helbig, Wolfgang
Untersuchungen über die Campanische Wandmalerei — Leipzig, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.12280#0089

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VI. Die beiden Hauptgruppen.

Gl)

welche ihr zuwiderlaufen , entweder aus oder gestaltet sie in ihrem
Sinne um. Die andere strebt nach einer eminent charakteristischen j
Darstellung. Wiewohl sie nicht absolut schöne und vollkommene
Bildungen erzielt, so ist ihr Gestaltungsprocess doch von einem
realistischen Verfahren weit entfernt. Sie copirt die Wirklichkeit
nicht, wie sie vor den Sinnen liegt, sondern giebt, was dieselbe
zersplittert, mehr oder minder getrübt und zweifelhaft zeigt, con-
centrirt, in sich wahr und vollständig weder. Die beiden Rich-
tungen greifen auf einer ganzen Reihe von Gemälden in einander
über und schon dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es hinlänglich,
dass wir sie in eine und dieselbe Gruppe einbegriffen haben.

Innerhalb der Bilder mythologischen Inhalts herrscht die an
erster Stelle erwähnte Richtung beinah unumschränkt. Wo nicht
die Hand des ausführenden Wandmalers den Charakter der
Originalcomposition getrübt hat, begegnen wir fast durchweg
schönen oder anmuthigen Erscheinungen. Nur in wenigen Fällen
greift die charakteristische Richtung auf mythologisches Gebiet
über. Wir begegnen einigen sehr charakteristisch gebildeten alten
Frauen wie der Eurykleia1) und den Ammen der Phaidra2), der
Skj'lla3) und der Alkestis4;. Auf dem Gemälde, welches die Ent-
lassung der Briseis darstellt5:, erscheint Phoinix bartlos, mit
verfallenem und sehr individuell gebildetem Gesichte. Aehnlich
ist einmal der Vater des Admetos aufgefasst0). Unbeschränkt
herrscht die charakteristische Richtung nur in einer Serie mytho-
logischer Bilder, der nämlich, welche Pygmaien bald im Kampfe
mit Kranichen oder Hähnen7;, bald in genreartigen Situationens)
darstellt. Da die Bildung der Pygmaien von einer über die Wirk-
lichkeit hinausragenden, also idealen Hässlichkeit ist, so versteht
es sichj dass diese Gemälde in das Bereich der Gruppe gehören,
mit der wir uns gegenwärtig beschäftigen.

In bedeutenderem Umfange als auf mythologischem Gebiete
macht sich die charakteristische Richtung innerhalb der Darstel-
lungen aus dem Alltagsleben geltend. Hier strebt sie Typen aus-

1) N. 133*; 2) N. 1243 ff. 3) Ni 1337.

4) N. 1157 ff. Vgl. Bull, delf Inst. 1S72 p. 70.

5) N. 1309.

6) N. 1161. Vgl. auch X. 1398. Aus dem Bereiche der Compo-
sitionen, welche Scenen aus dem Alltagsleben, mit mythologischen
Motiven vermischt, schildern, wären die beiden Gemälde mit dem
Erotenverkaufe beizufügen [W. 825). Auf dem einen verkauft
die Eroten eine sehr charakteristisch gebildete Alte, auf dem an-
deren ein zwerghafter, dickleibiger Mann mit Spitzbart und derben
Zügen.

7) N. 152S ff. 8) N. 1530 ff.
 
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