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Helbig, Wolfgang
Untersuchungen über die Campanische Wandmalerei — Leipzig, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.12280#0205

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XVIII. Die Gesellschaft.

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XVIII. Die Gesellschaft.

Von der weitreichendsten Bedeutung' war es. dass die Cultur-
entwiekelung seit der Alexanderepoche vorwiegend auf monar-
chischen Staaten beruhte. Jene allseitige und harmonische Durch-
bildung des Mannes, die bisher als das Ideal des Hellenenthums
gegolten hatte, war namentlich bedingt durch die selbstthätige
Theflnahme am Staatswesen. Da dieselbe in der Monarchie, wo
der Herrscher die politische Leitung in seiner Person concentrirte,
selbstverständlich wegfiel, so wurde der hellenischen Bildung die
wesentliche Grundlage entzogen und fingen die einzelnen Indivi-
duen nunmehr an, bestimmt durch innere Neigung oder äussere
Interessen, einzelne Kräfte in einseitiger und concentrirter Weise
auszubilden. Die Berufszweige sonderten sich mit einer Ent-
schiedenheit, wie sie dem älteren Griechenthume vollständig fremd
geblieben war. Innerhalb der Staaten der Diadochen, nament-.
lieh des der Ptolemaier, unterscheiden wir deutlich einen Solda-
ten- und einen Beamtenstand. Sehen wir von den Sophisten,
die in vielen Hinsichten die hellenistische Entwicklung vorbe-
reiten , und von anderen vereinzelten Erscheinungen der früheren
Periode ab, so waren Kunst und Wissenschaft bisher in der Kegel
von Männern gepflegt worden, die als Bürger eines Gemeinwesens
an den Schicksalen desselben mehr oder minder thätigen Antheil
nahmen. Jetzt dagegen erscheinen Künstler und Gelehrte fast
durchweg als exclusive Fachmänner und ausser Zusammenhange
mit einem bestimmten Staate. Die Hingabe an ihre privaten Be-
strebungen macht sie bisweilen vollständig gleichgültig gegen das
Gemeinwesen, dem sie angehören. Protogenes fährt ruhig fort,
an seinem ausruhenden Satyr zu malen, während Demetrios Poli-
orketes Rhodos bestürmt'). Früher waren es vorwiegend poli-
tische Interessen, welche die Individuen zusammenführten oder
trennten. Jetzt tritt vielfach der private Beruf an deren Stelle.
Dichter und Gelehrte fangen an, sich in besonderen Zirkeln zu
vereinigen, ein Gebrauch, welcher zu Alexandreia in dem Museion
feste Form erhielt. Die Schauspieler treten unter bestimmten
Statuten in den Synodoi zusammen. Alle solche Vereinigungen
hatten einen vollständig kosmopolitischen Charakter und zogen
ohne Rücksicht des Stammes die geeigneten Kräfte an sich.
Waren doch selbst die damaligen Condottieri in der Regel voll-
ständig vaterlandslos und dienten sie, wie es ihren Interessen
entsprach, bald diesem. bald jenem Staate. Bezeichnend ist es

1} Plin. XXXV 105.
 
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