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Schaefer, Johann Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Kreis Offenbach — Darmstadt: Bergstraesser, 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.18296#0112
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HEUSENSTAMM

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besetzte ältere Mauertheile. Es sind die Ueberreste des sogenannten Steinernen
Hauses, einer Burganlage des Martin von Heusenstamm, wie aus dessen 1533
aufgerichtetem Testament hervorgeht. Ein Werkstück mit der Jahreszahl 1561 ist
zur Erinnerung an das alte Schloss in den Bogenfries des Neubaues eingefügt.
Der isolirte Wehrthurm, Bannthurm genannt, hatte die Bedeutung eines Bergfrieds
und war sonach der Kern für die innere Verteidigung der Burg. Als Warte
ragte er über letztere hoch empor. Der Grundriss des Bannthurmes bildet ein
ungleichseitiges Viereck. Das Material ist ein Gemisch von Haustein und Back-
stein. Mehrere Geschosse thürmen sich übereinander. Der Giebelschiuss hat
einem Neubau Platz gemacht, der in seiner Nichtvollendung einer Ruine gleicht,
über welche der Himmel sein Dach spannt. In den dreissiger Jahren sollte das
Untergeschoss als Burgkapelle eingerichtet werden ; in der Folge stand man jedoch
von dem Vorhaben wieder ab. — Schloss Heusenstamm ist jetzt Sitz eines gräf-
lichen Rentamtes. Das Archiv kam im Jahre 1833 nach Schloss Wiesentheid bei
Würzburg.

In der Gruppe der die Kirche umgebenden Bauten sind erwähnenswerth:
Der Pfarrhof, das Schulhaus und der Thorbau. — Der Pfarrhof, ein stattliches Pfarrhof
Gebäude, dessen Eingang das Familienwappen der Schönborn mit dem über drei
Spitzen schreitenden Löwen schmückt, wurde erbaut von dem Vermittler des west-
phälischen Friedens, Johann Philipp Graf von Schönborn, 1642 zum Fürstbischof
von Würzburg und 1647 zum Kurfürsten von Mainz erwählt. Im Flur des Erd-
geschosses steht eine Holzstatuette der Madonna mit dem Jesuskinde von ein-
drittel Lebensgrösse, eine Arbeit des 15. Jahrhunderts, mit gutem Wurf der Falten,
im Ganzen jedoch von handwerksmässiger Technik. — Im Privatbesitz von H. Pfarrer
C. Bott befinden sich zwei Streifen der Vorder- und Rückseite eines Messgewan-
des, eine tüchtige Arbeit niederrheinischer Bortenwirkerei im Styl des opus aureum
cvprium. Auf dem von Goldfäden übersponnenen und durchschossenen Leinen-
grund erscheinen verschiedene der Natur dieses Textilstoffes angepasste stylisirte
Verzierungen von blühenden Bäumen und Sträuchern, Sternen und Rosetten in
Linearmustern, untermischt mit folgenden gothischen Minuskel-Inschriften im Charakter
des 15. Jahrhunderts: „gforia I tyxt\<x\*x ÖCD ÜjeSUS» matffl" auf dem kleinen
Streifen und „flUß JJClata (praeclara) m (Maria) m$LX\$ Stella f!je<tU<»" auf dem
grösseren Streifen. Der Besitzer hat die kunstgewerblich beachtenswerthen Textil-
überreste als Geschenk für die Grossherzoglichen Sammlungen zu Darmstadt bestimmt.

Das Schulhaus, dem Grafen von Schönborn gehörig, ist dreigeschossig ange- Schulhaus
legt und besitzt einen gewissen monumentalen Charakter.. Das über dem Eingang
befindliche Allianzwapp^n der Häuser Schönborn und Montfort nebst der Jahres-
zahl 1744 bezeugen, dass auch dieses Gebäude von der baulustigen Gräfin Maria
Theresia errichtet wurde.

Der gegenüberliegende Thorbau verdankt seine Entstehung dem Grafen Thorbau
Erwin von Schönborn, welcher dieses Architekturwerk zu Ehren Franz I. aufführen
liess, nachdem dieser Kaiser, gelegentlich der Erwählung und Krönung seines
Sohnes Joseph zum Römischen König in Frankfurt a. M., dem Gräflichen Hof zu
Heusenstamm die Ehre eines mehrtägigen Besuches erwiesen. Das Baudenkmal
 
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