Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schaefer, Johann Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Kreis Offenbach — Darmstadt: Bergstraesser, 1885

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.18296#0124
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
98

KREIS OFFENBACH

auslaufen und dessen Spitze eine Kreuzblume krönt. Rechts und links steigen
bossenbesetzte Fialen empor und im Bogenfeld erblicken wir in Relief das Haupt
des Erlösers als vera icon, d. h. im Typus der traditionellen Auffassung des
Antlitzes des Heilands.

Neuerer Bautheil Die jetzige Kirche ist, wenn man von den die Aussenseiten der Hochwände

an verschiedenen Flächen und Eiken flankirenden quadrirten Lisenen in buntem
Sandstein absieht, ein einfaches, gewölbeloses Bauwerk mit Dachreiter auf dem
Westgiebel. Altarraum und Langhaus legen sich dem oben beschriebenen, nun als
Sakristei dienenden Chor der niedergelegten gothischen Kirche in gleicher Längenaxe
und mit breiter polygoner Ausladung an. Auf einer Ecklisene der Nordseite sind die
Höhenmarken der Mainüberfluthungen seit 1782 eingemeisseltundbis 1 882 herabgeführt.

Aitüre etc. Das Hochaltarwerk sammt den beiden Nebenaltären stammt augenscheinlich

aus der Erbauungszeit der Kirche und verzichtet auf hochkünstlerische Bedeutung.
Um so beachtenswerther ist das Orgelgehäusc, dessen reiche Zierformen in
blühendem, fröhlichem Rococostyl sich bewegen. Auch in den Ornamenten der
etwas jüngeren Kanzel herrschen Züge eines belebten Rococo, jedoch bei weitem
nicht die gleiche Frische der Formgebung wie in den Motiven des Orgelgehäuses.

Skulpturen Ohne Zweifel aus der niedergelegten gothischen Kirche herübergerettet und

nicht ohne Kunstwerth sind drei Holzskulpturen im Langhause. Neben dem nörd-
lichen Seitenaltar stehen in einer Nische auf stylistisch anspruchslosen modernen Konsolen
die Statuen des h. Johannes Baptista und des h. Nikolaus; gegenüber an der
südlichen Hochwand die Statue der Madonna mit dem Jestiskinde. Die Figuren
sind meterhoch und kündigen sich durch ihre realistischen und doch Innerlichkeit
des Gefühls aussprechenden Gesichtszüge, sowie durch die gehäuften, von knitterigen
Falten bewegten Draperieen als Arbeiten aus der zweiten Llälfte des 15. Jahr-
hunderts an. Ein leichentuchartiger, dick aufgetragener Oelfarbanstrich lässt die
Vorzüge der meisselfertigen Figuren leider nicht zur vollen Geltung kommen.
Die im Chor aufgestellten Statuen der Jih. Peter und Marcellin beanspruchen
keinen erheblichen Kunstwerth und sind kaum vor der Mitte des 18. Jahrhunderts
entstanden. — Unter den Steinskulpturen seien die Portalfigur der Madonna, ein
Krucifixus und einige Grabkreuze auf dem die Kirche umgebenden alten Friedhof
erwähnt, sämmtlich Mittelgut, das nicht über das vorige Jahrhundert zurückreicht.
— Hierher gehört auch die in die Aussenseite der Kirche eingemauerte künstlerisch
unbedeutende Grabplatte des Nikolaus Zilg und der Justina Zilgin, mit der Relief-
darstellung der h. Dreifaltigkeit und der Jahreszahl 1713.

pfarrhof, Tjer Pfarrhof, ein stattliches Gebäude im Villencharakter des vorigen Tahr-

enemalige . ■

Abbatiaivilia hunderts, war ursprünglich Sommerwohnung der Benediktiner-Aebte von Seligen-
stadt. Diese Bestimmung kündet die dem Portalsturz eingemeisselte Inschrift
»Omne tulit punctum qui miscu.it utile pulchro«, welche, wie man sieht, einen
schon damals als geflügeltes Wort beliebten Vers aus den Satiren des Horaz da-
durch variirt, dass sie das Schlusswort »dulci« des Originaltextes durch »pulchro« ersetzt,
mithin das Nützliche nicht mit dem Angenehmen, sondern mit dem Schönen in
Verbindung bringt. Ueber dem Thürsturz steht das von zwei keulenbewehrten
Hünengestalten gehaltene Wappen des Erbauers und darunter die Gründungs-
 
Annotationen