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Schaefer, Johann Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Kreis Offenbach — Darmstadt: Bergstraesser, 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.18296#0268
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WEISKIRCHEN

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die hinter dem Hauptaltar im Scheitel der Apsis befindliche Lichtöffnung ver-
mauert und ihr Masswerk zerstört. Die beiden benachbarten Fenster sind schmal
und im Bogenschluss von einfacher Passbildung. Auf der südlichen Chorseite fällt
das Tageslicht durch ein breiteres mit Pfostentheilung versehenes Fenster ein, dessen
Masswerk ebenfalls aus schlichten Passformen besteht. Auf der äusseren Fenster-
wandung ist die Jahreszahl 'l^Q'J (I49I) eingemeisselt.

Das einschiffige Langhaus hat in Uebereinstimmung mit dem Chor ebenfalls Langhaus
eine flache Eindeckung. Die Südwand dieses Bautheils wird durch eine Thür-
öffnung und zwei schmale mit dürftigem Masswerk versehene Spitzbogenfenster
unterbrochen. Dem Eingang war ursprünglich eine 1830 abgetragene Halle vor-
gelegt. Die Nordwand scheint ursprünglich fensterlos gewesen zu sein. Erst das
vorige Jahrhundert empfand das Bedürfniss einer Beleuchtung an dieser Stelle und
sorgte für eine runde und eine viereckige Lichtöffnung. Allem Anschein nach
steht diese bauliche Neuerung im Zusammenhang mit der Einfügung des die ganze
Westseite und einen Theil der Nordwand des Inneren einnehmenden und das-
selbe verunstaltenden Emporen- und Orgelbaues, zu welchem von aussen eine un-
mittelbar neben dem Thurm ansteigende Freitreppe an die Eingangsthüre führt,
deren Sturz die Jahreszahl 1767 trägt.

Der Thurm der Kirche ist der westlichen Schmalseite des Langhauses vor- Thurm
gebaut. Das Untergeschoss bildet eine kreuzförmig gewölbte Vorhalle, über deren

schlichtem, bogenlosem Eingang die halbverwitterten Ziffern als die Jahreszahl \ Qj\ f\

(1417) zu lesen sein dürften. Die Richtigkeit dieser Lesart vorausgesetzt und in
Erwägung, dass die Führung der Sakralarchitekturen des Mittelalters der Regel
nach in der Richtung von Ost nach West zu geschehen pflegte, so dass der Bau
mit dem Chorhaupt begonnen und mit der Fassade zu Ende gebracht wurde, wird
man in der Annahme kaum fehlgehen, dass die Jahreszahl 1417 für die Bezeich-
nung des Schlusses der Bauzeit zu beanspruchen, die obengenannte Jahreszahl
1491 dagegen auf einen Umbau des südlichen Chorfensters zu beziehen sei. —
Sowohl die äussere Thüre der Thurmhalle wie die innere in das Langhaus führende
Thüre besitzen theilweise noch ihr ursprüngliches Beschläge in kräftig stylisirten
Eisenbändern, untermischt mit neueren Zuthaten aus dem 17. Jahrhundert, insbe-
sondere an den Thürschlössern. Die Thurmgeschosse scheiden sich durch einfach
unterschnittene Gesimse. Die Schallöffnungen der oberen Geschosse haben im
Laufe der letzten Jahrzehnte Veränderungen in zweifelhaften gothischen Formen
erlitten. An der östlichen Thurmseite zeigt das Masswerk einer älteren Schall-
öffnung spätgothische Fischblasenmuster. Die Eindeckung des Thurmes wird durch
zwei sich durchkreuzende Satteldächer bewirkt, so dass die achtseitige Helmspitze
aus vier Giebeldreiecken emporsteigt.

Die Sakristei lehnt sich an die Nordseite des Chores an und ist, abweichend Sakristei
von der flachen Eindeckung der Haupträume der Kirche, von einem Kreuzgewölbe
überspannt, das künstlerisch wie technisch als eine Leistung von äusserster Dürftig-
keit sich darstellt. Die Möglichkeit vorgothischen Ursprungs der unteren Theile
 
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