Carl Mense. Landschaft am Niederrhein
gelten lassen, aber als ..Torso" empfinden. Auch
diejenigen mohammedanischen Lehren, die das Ab-
konterfeien auf eine Fläche, also das Malen. Zeich-
nen, Photographieren nicht verwerfen, verbieten es
dem Gläubigen, ein Bildnis von einem Menschen zu
machen, ,,das Schatten wirft". Die fast tragische
Annäherung der Plastik — als der dreidimensiona-
len Kunst — an die höchste dichterische Form, das
Drama, wird hier sehr sinnfällig und deutlich. Auch
ein „dramatisches Fragment" bleibt ein sinnloser
— wenn noch so aufrüttelnder — Torso. Die Ab-
sicht, das volle Leben, die volle Gestalt ins Kunst-
werk zu bannen, wird im Falle des Mißlingens oder
des Liegenlassens zur Verbildung, zur Verkrüppe-
lung, zur Untat wider das Leben, wider die — Ge-
stalt. Um so ernster erhebt sich für die Bildhauer-
kunst die Forderung auf Vollendung!
Wenn sich in der modernen Malerei die Hinwen-
dung zum Sinnbild vollzogen hat, wenn das voll-
endete Werk neuer Malerei nicht nur wiedergege-
bene Natur, Stimmungshaft gesteigertes Abbild der
Welt und ihrer Erscheinungen anstrebt, sondern
ein neu geschautes geistig-seelisches Sinnbild — ein
Abbild innerer Schau —. dann führt die Bildhauerei
den vom Uferlosen des inneren Bereichs bedrohten
..schweifenden" Sinn wieder zum Urbild aller gei-
stig-seelischen Gestalt und Form: dem Leib des
Menschen, zurück. Wenn die in vollendeter Harmo-
nie des Rumpfes, des Hauptes und der Glieder ein-
herschreitende oder verharrende Menschenfigur alle
inneren Spannungen enthält, dennoch aber, dem Ge-
setz der ,.Gestalt" gehorchend, die Natur nicht ver-
wandelt, sondern erfüllt, dann ist der Torso als
Programmnummer und gewollt Halbes, die Skizze
als Laune und seelischer Zufall, das Fragment als
Spiel und Anfang überwunden. Das Ganze, das
Vollendete der Kunst: die Einheit von Form und
Inhalt, Idee und Gestaltung ist dann erreicht. Dann
ist die Totalität — Anspruch und Forderung realer
Zeitgestaltung, höchstes politisches Ziel deutscher
Gegenwart, staatskünstlerisches Ideal — verwirk-
licht in der Erhöhung des menschlichen Traums:
der Kunst.
27
gelten lassen, aber als ..Torso" empfinden. Auch
diejenigen mohammedanischen Lehren, die das Ab-
konterfeien auf eine Fläche, also das Malen. Zeich-
nen, Photographieren nicht verwerfen, verbieten es
dem Gläubigen, ein Bildnis von einem Menschen zu
machen, ,,das Schatten wirft". Die fast tragische
Annäherung der Plastik — als der dreidimensiona-
len Kunst — an die höchste dichterische Form, das
Drama, wird hier sehr sinnfällig und deutlich. Auch
ein „dramatisches Fragment" bleibt ein sinnloser
— wenn noch so aufrüttelnder — Torso. Die Ab-
sicht, das volle Leben, die volle Gestalt ins Kunst-
werk zu bannen, wird im Falle des Mißlingens oder
des Liegenlassens zur Verbildung, zur Verkrüppe-
lung, zur Untat wider das Leben, wider die — Ge-
stalt. Um so ernster erhebt sich für die Bildhauer-
kunst die Forderung auf Vollendung!
Wenn sich in der modernen Malerei die Hinwen-
dung zum Sinnbild vollzogen hat, wenn das voll-
endete Werk neuer Malerei nicht nur wiedergege-
bene Natur, Stimmungshaft gesteigertes Abbild der
Welt und ihrer Erscheinungen anstrebt, sondern
ein neu geschautes geistig-seelisches Sinnbild — ein
Abbild innerer Schau —. dann führt die Bildhauerei
den vom Uferlosen des inneren Bereichs bedrohten
..schweifenden" Sinn wieder zum Urbild aller gei-
stig-seelischen Gestalt und Form: dem Leib des
Menschen, zurück. Wenn die in vollendeter Harmo-
nie des Rumpfes, des Hauptes und der Glieder ein-
herschreitende oder verharrende Menschenfigur alle
inneren Spannungen enthält, dennoch aber, dem Ge-
setz der ,.Gestalt" gehorchend, die Natur nicht ver-
wandelt, sondern erfüllt, dann ist der Torso als
Programmnummer und gewollt Halbes, die Skizze
als Laune und seelischer Zufall, das Fragment als
Spiel und Anfang überwunden. Das Ganze, das
Vollendete der Kunst: die Einheit von Form und
Inhalt, Idee und Gestaltung ist dann erreicht. Dann
ist die Totalität — Anspruch und Forderung realer
Zeitgestaltung, höchstes politisches Ziel deutscher
Gegenwart, staatskünstlerisches Ideal — verwirk-
licht in der Erhöhung des menschlichen Traums:
der Kunst.
27