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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 52.1936-1937

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Verres, Rudolf: Der Wandmaler Wilhelm Geißler
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https://doi.org/10.11588/diglit.16484#0273

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Der Wandmaler Wilhelm Geißler. Von Rudolf Verres

Das Kölner Kunstgewerbemuseum stellte in diesem
Frühjahr in einer ebenso umfangreichen wie ein-
dringlichen Schau von Y\ andbildern. Mosaiken
und Glasfensterentwürfen das Schaffen des in Köln
ansässigen Westfalen Wilhelm Geißler heraus.
Geißler. der bisher fast ausschließlich als graphi-
scher Gestalter galt — allerdings monumentalen
Gepräges — beweist hier, daß diese Ansicht unrich-
tig oder wenigstens überholt ist. Denn die Fülle
der Arbeiten, die sich in 5 Räumen des Kölner Mu-
seums dem Besucher darboten, kann schlechter-
dings nicht beiläufig entstanden sein, sondern muß
sein Denken und Wirken jahrelang ausgefüllt ha-
ben. So ist es auch: 1915 begann Geißler in Düssel-
dorf sein Studium als Wandbildmaler, nachdem er
sich in kluger Wertschätzung des Handwerklichen
bei einem Malermeister seiner Vaterstadt Hamm in
AYestfalen das Technische angeeignet hatte. Zur
Graphik ließ ihn der Krieg finden, der ihn fast drei
Jahre an der Westfront sah: diese Entwicklung war
gewissermaßen zwangsläufig, weil das monumen-
tale Streben in ihm nach einem Ausweg zur Wir-
kung suchte. Man tut gut, seine groß gesehenen
und groß geformten Holzschnitte, die auf den Gra-
phikausstellungen der letzten Jahre auffielen, mit
unter dem Gesichtspunkt des Wandbildes zu be-
trachten und zu werten. Sie geben rmbeabsichtigt
Kunde von dem zähen und zielbewußten Ringen
um die Gestaltung monumentaler Gesichte.
Als in der Entwicklung der Nachkriegszeit die Hoff-
nung auf Wiederbelebung der Wandmalerei und
des Mosaiks aufkam, gehörte Geißler zu den ersten,
die sich in der Stille des Ateliers für die kommen-
den Aufgaben vorbereiteten und geradezu uner-
müdlich arbeiteten. Um sich mit der Gesetzmäßig-
keit der Wand auseinanderzusetzen, hat Geißler
jahrelang unverdrossen einen Entwurf nach dem
anderen geschaffen, ohne Auftrag und ohne den
Rückhalt eines Mäzens, nur seinem inneren Schaf -
fenstrieb verpflichtet und dem Wunsche, für die
Gesamtheit zu arbeiten. Er ahnte wohl, daß er, der
aus der Gemeinschaft der Jugend, dem Vorkriegs-
wandervogel, hervorging, der Gemeinschaft seine
künstlerischen Kräfte widmen müsse. Seine Kunst
ist auf das verpflichtende „Wir" gestimmt und nicht
auf die Ich-Wirkung bezogen. Seine Entwürfe gel-
ten dem Wandbild, dem Mosaik und dem Glasfenster.

Geißler ist Westfale. er vereinigt, indem er seine
Wahlheimat in Köln suchte und fand, die Eigen-
schaften dieser nördlich bestimmten Rasse mit den
Vorzügen der rheinisch-südlicheren Menschen. Er
ist von einem innerlichen, fast religiösen Ernst be-
seelt. Er besitzt die kluge Tüchtigkeit und den
zähen Fleiß des nordisch-westfälischen Menschen-
tums, aber es beschwingt ihn auch die sinnesfreu-
dige, heiter aufgeschlossene Art des lebendigen
Rheinländers. Seine meisten Arbeiten sind von her-
ber Schlichtheit: in der bezwingenden Einheit von
Inhalt und Form eindeutig und monumental. Im
Thema umspannt werden alle Volks- und Alters-
schichten. Seine Farbenskala ist dabei schmal und
fast karg, wenigstens was seine Wandmalerei selbst
betrifft. Die Glasfenster und Mosaiken leuchten in
ungebrochenen kräftigen Farben.
Die Mehrzahl aller geschaffenen Entwürfe und
Kartons sind als Vorübung für künftige Aufträge
entstanden. In der jüngsten Zeit sind ihm dann
größere Aufgaben und Aufträge zuteil geworden,
nachdem er in den großen Wettbewerben für Wand-
malerei und Mosaik zu den Preisträgern gehörte
(Deutsche Arbeitsfront, Berlin. 1954, Deutsches
Museum, München, 1955 u. a.). Auf der Kölner
Saarausstellung bildete sein riesiges Wandbild
„Heim zum Reich" den künstlerischen Mittelpunkt
des Hauptraumes. Die Kölner Universität erhielt
zu Beginn des Jahres 1957 von seiner Hand ein
kraftvolles und im farblichen Klang vornehmes
Glasfenster als Ehrenmal für die gefallenen Stu-
denten. Für die Ordensburg Vogelsang (Eifel) ist
der Künstler mit Wandbildentwürfen beauftragt
worden. Die Hansestadt Köln hat sich soeben ent-
schlossen, von ihm in ihrer größten Schule ein
Wandgemälde „Wikinger" ausführen zu lassen. So
trägt sein zähes, unverdrossenes Schaffen jetzt
Frucht. Es ist zu erwarten, daß seine Kirnst die
wünschenswerte breite Wirkung erhält. Ihre inne-
ren Voraussetzungen dazu sind günstig: klare, ein-
deutige, fast einfältige Schlichtheit der Motive,
echte, bodenverwurzelte Volkstümlichkeit in der
Auffassung von Figur und Landschaft, kraftvolle,
gesunde Deutung der elementaren Lebensvorgänge
und der Arbeit, eine im besten Sinne zeitgemäße
Darstellungsart.

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