Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 52.1936-1937

DOI Artikel:
Bender, Ewald: Die Ordensburgen Vogelsang und Crössinsee
DOI Artikel:
Kuhn, Alfred: Anto Carte, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16484#0184

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
..Haus des Sports" mit dem Turn- und Exerzier-
platz den Abschluß. Außerhalb des Burggebiets
werden Einrichtungen für flug- und motorsport-
liche Übungen der Junker, eine Dorfanlage mit
Wohnungen für die verheirateten Lehrer und An-
gestellten geschaffen, ein großes Fremdenhotel er-
richtet werden.

Eine ganz andere gestalterische Aufgabe bot dem
Architekten die Flachlandschaft Pommerns. Trotz
mäßiger Bodenbewegung trägt sie hier, im großen
gesehen, den Charakter der Ebene. Fruchtbarer
Acker wechselt mit sandigen Strecken und Wald, in
den still die Seen gelagert sind. Das Baugelände
selbst ist eine Halbinsel, die mit bewaldeten Ufern
zum Crössinsee abfällt, einem der größten und
schönsten, aber auch einsamsten Pommerns. An
heimischen Baustoffen liefern die Wälder das Holz,
aber es gibt keinen gewachsenen Stein für Mauer-
werk und Dachbedeckung. Dafür tritt der überall
in der Gegend gebrannte Ziegel ein, und an den
Seeufern wächst das Bohr. Auf den Feldmarken
aber fand sich, was niemand mehr als Baustoff
kannte, der Granitfindling. Ihn ließ der Architekt
zu Quadern schlagen und daraus die Feierstätte
mauern. Er verwandte ihn vor allem auch als Säu-
lenverkleidung.

Aus dem Wesen der Landschaft und der Werkstoffe
ergab sich die Bauweise von selbst: eingeschossige,
breitgelagerte Ziegelbauten mit viel Holz als offe-
nes Dachgebälk, Säule oder Wandverkleidung im
Innern; das Bohrdach, wo es als Ausdrucksmittel
am Platz war. Im Lageplan mußte im ersten Bau-
abschnitt auf die Ausbildung einer beherrschenden
Hauptachse ebenso verzichtet werden, wie auf den
Blickpunkt einer zentralen Baugruppe. Im Endzu-
stand wird man beides vorfinden: die Erweiterungs-
bauten wachsen nach ähnlich großzügigem Plan
auf, wie auf dem Berge Vogelsang.
Augenblicklich unterscheidet man zwei einander
benachbarte Gebäudegruppen, die je eine betrieb-
liche und architektonische Einheit bilden und durch
den Bundturm optisch aneinander gebunden sind.
Auf der einen Seite die 10 Unterkunftshäuser, das

hier Bemter genannte Gemeinschaftshaus mit dem
Speisesaal, Wirtschaftsgebäude und Wohnungen der
Angestellten, dann, in der Fortsetzung nach Westen
der Verwaltungstrakt, der rechtwinklig auf das die
Zufahrtstraße von Falkenburg abriegelnde Torge-
bäude mit der Wache stößt. Auf der anderen Seite
der Hauptstraße, gegenüber dem Turm, öffnet sich
über eine monumentale Treppenanlage mit starker
Wirkung die weite Fläche des Sportplatzes, um-
klammert von breitgelagerten Bauten mit mächti-
gen Bohrdächern. Sporthalle und Schulungshalle
sind mit säulengetragenen Vorhallen dem Platz zu-
gekehrt. Die Ehrenhalle mit dem von dem Bild-
hauer W. Melier geschaffenen, über vier Meter
hohen Ehrenmal für die Münchner Ermordeten der
Bewegung ist allseitig offen. Ihre Maßverhältnisse
sind so rein und wohlklingend wie bei einem anti-
ken Tempel und mildern die urtümliche Kraft, die
von den Werkstoffen, insbesondere den Granitqua-
dern der Säulen ausstrahlt. Nicht vergessen werden
darf die nach der Seeseite vorgeschobene, hier Kan-
tine genannte Burgschenke mit der drei Seiten um-
laufenden gedeckten Terrasse, von der sich ein herr-
licher Ausblick über Wald und Wasser bietet.
Grundrißlich, in der Gestaltung des Äußern und
der Innenausstattung mit Holzgebälk und Klinker-
pfeilern zeugt sie vielleicht am eindringlichsten für
die baukünstlerische Phantasie, das vielseitige Kön-
nen und das Streben des Architekten nach planmä-
ßigem Einsatz hochwertiger Handwerksarbeit in
Stein, Holz und Schmiedeeisen.
Die Landschaft hat ihre besondere Schönheit der
Schwere, die man als gelassene Kraft empfindet. In
sie eingebettet, wirken die Bauwerke, als seien sie
natürlich, freilich in besonders kraftvoller Art, ge-
wachsen. Ursprünglich waren die Bauanlagen, die
wir heute Ordensburgen nennen, als einfache Ba-
rackenlager für mehrwöchige Schulungskurse ge-
plant. Crössinsee in seinem heutigen Zustand ist
etwas Lagermäßiges als eigener Beiz erhalten ge-
blieben. Nicht ohne Grund hat Dr. Ley dabei an
die Heerlager unserer niedersächsischen Bauernher-
zöge erinnert.

AntO Carte. Von Alfred Kuhn

Die Geschehnisse des Lebens Christi und seiner
Passion in die eigene Zeit und in das eigene Volks-
tum zu versetzen, ist seit jeher Weise und Vorrecht
lebensnaher Nationen gewesen. Während in Italien
die kühle Verständigkeit der Renaissance die heili-
gen Geschehnisse in die Ferne einer objektiven
Klassizität rückte, ihre Träger mit antikischer Toga
bekleidete, sie wandeln ließ in einer zeitlosen Um-
gebung oder auf der Bühne strengster Abstraktion,
hat man in Deutschland und in den kulturell wenig
nur von diesem verschiedenen Niederlanden nie auf-
gehört, Weihnachtsmysterium und Passion als im
eigenen Leben stehend, dem eigenen Leben verwo-
ben zu empfinden, genau so, wie man sie seit vielen

Jahrhunderten bei besonderen Anlässen im fest-
lichen Theaterspiel erblickte.

Wenn bei Conrad Witz die Heilige Mutter und Jo-
hannes am Kreuze weinen, so steht dieses an den
Ufern des Bodensees, auf der Flucht nach Ägypten
lagert die Hl. Familie bei Hans Baidung oder Lukas
Cranach im tiefen deutschen Wald, der Niederlän-
der Geertgen kann sich nicht entschließen, seinen
Täufer Johannes in die syrische Wüste zu senden.
Meditierend sitzt er in den saftigen, grünen Gefil-
den der Haarlemer Gegend. Bogiers Verkündigung
geschieht in einem gotischen Gemach, Bouts Anbe-
tung des Kindes durch die Engel im Hofe einer
Burg, sein Letztes Abendmahl in einem luftigen Re-

Kunst f. Alle, Jahrg. 52, Heft 7. April 1937

169
 
Annotationen