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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 52.1936-1937

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Benesch, Otto Heinrich Karl: Cézanne: zur 30. Wiederkehr seines Todestages am 22. Oktober
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.16484#0073

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Paul Cezanne. Die Kartenspieler. Gegen 1892

fungsvorgang — Inbegriff der Malerei schlechthin
ohne außermalerische Assoziationen — ist ganz
elementar und ursprünglich. Er ist wahrhaft naiv
und voraussetzungslos. im Gegensatz zu den Im-
pressionisten, die an die Stelle des gedanklichen Er-
fahrungsbildes der Romantiker eine neue Chiffre
setzten, die nur seine Lmkehrung ins Gegenteil be-
deutet, aber von der malerischen Urzeugung gleich
weit entfernt bleibt. ..Das Bild von dem geben, was
wir sehen, alles vergessend, was vor uns Erschei-
nung war.'" In scheinbarem Gegensatz zu diesem
Schaffensvorgang steht Cezannes Mühen um Logik
in der Malerei, um verstandesmäßiges Durchdrin-
gen. Viel zitiert ist der Satz, man müsse ..die Natur
nach Zylinder, Kugel, Kegel, das Ganze in Perspek-
tive gesetzt, behandeln." Als Ergänzung könnte ein
anderer. Gasquet mitgeteilter angeführt werden:
..Es gibt eine Art von Barbarei der falschen Unwis-
senden, noch verächtlicher als die Schulhaftigkeit:
man kann heute nicht mehr unwissend sein." Er
klingt aus in der Feststellung: ..Viel Wissen führt

zur Natur zurück." So brach Cezanne den Stab über
die später Legion werdenden manieristischen und
logizistischen Auswerter seiner Kunst. Seine Logik
ist tief in der ewigen Gesetzmäßigkeit der Natur
begründet, nicht anders wie die der Werkmeister
und Steinmetzen an den alten französischen Kathe-
dralen, die in der heiligen Ratio ihres Werks das
Gottgeschaffene der Materie, des Steins, der Land-
schaft, zum Klingen brachten. Das ,.Motiv"' wurde
für ihn ein fast sakraler Begriff. „Ich will nicht
theoretisch recht haben, sondern vor der Natur."
Cezanne war sich seiner historischen Mission be-
wußt. ,,Ich bin der Erste meines eigenen Weges.'1
Er wußte, daß ihn andere weitergehen würden.Der
schlichte Alte von Aix hat eine malerische Vor-
stellungswelt aus den Angeln gehoben. Er bedeutet
eine Zeitwende. Seine tiefere Auswirkung macht
sich erst in den Trägern des malerischen Heute gel-
tend, außerhalb Frankreichs vielleicht stärker als
innerhalb der eigenen Nation.

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