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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 52.1936-1937

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Gebhart, Hans: Max Lange
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https://doi.org/10.11588/diglit.16484#0087

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Fot. Leo Beck, München

Max Lange. Büste Professor Wilhelm Pinder

Lebens in seiner Ganzheit, der untrennbar aus Blut.
Geist und Seele gewirkten Vitalität, zu gelten be-
ginnt. Wenn das ..Mittelalter" vom Seelischen her
bestimmt war. die ..Neuzeit"' bisher sich dem Geist
der ..ratio" verschrieb, so wären wir heute, diese
Gleichgewichtsstörungen überwindend, reif für ein
Bekenntnis zum spontanen Leben schlechthin, ein-
schließlich seiner phvsischen Gegebenheiten. Die
unleugbare Wendung zum Kunstgewerbe wäre
dann in diesem Sinn als Lbergangserscheinung und
als ein Anfang zu denken. Es ist daher, wenn wir
eine künstlerische Erscheinung zu würdigen haben,
weniger wichtig, auszumachen, wo sie der Zeit und
Bichtung nach wurzelt, sondern ob sie mit jener
anspruchsvollen und ernsleu Kunst zu tun habe,
oder mit Kunstgewerbe.

Wenn wir hier kurz an einen Künstler wie Max
Lange erinnern, so wissen wir wohl, daß sein Werk
in dem angedeuteten Sinn nicht ..aktuell" ist. Wir
fühlen uns aber trotzdem dazu verpflichtet, weil es
uns an dieser Zeitenwende wichtig erscheint, unse-
ren Bestand an echten künstlerischen Erscheinun-
gen abzugrenzen und Klarheit zu schaffen.
In einem der ersten Bäume der staatlichen Samm-
lungen moderner Kunst, die heute im Bibliotheks-
bau des Deutschen Museums in München unterge-
bracht sind, steht eine Büste Geheimrat Friedrich
Dörnhöffers, des vor einigen Jahren verstorbenen
Generaldirektors der bavrischen Gemäldesamm-

lungen — ein Werk Professor Max Langes. An
dieser Arbeit lassen sich alle Besonderheiten und
Werte seines porträtistischen Schaffens aufzeigen.
Das schöpferische Einfühlungsvermögen in den
darzustellenden geistigen Menschen, die Fähigkeit
des geborenen Porträtisten, das W esentliche zu
sehen und sichtbar zu machen, eine Formgebung,
in der die Dynamik des Schaffens und der Rhyth-
mus der gestalteten Persönlichkeit erregend zusam-
menklingen und ein hervorragendes technisches
Vermögen. In den Bildnissen Langes, Büsten und
Medaillen, erscheint das Modell nicht als Vorwand
zu einer ichbetonten formal-plastischen Äußerung,
sondern führt als Begegnung mit dem Künstler zur
schöpferischen Spannung, aus der das Werk wächst.
In der großen Beihe schöpferischer Porträts, die
Lange schuf, ist keines, an dem nicht dies elemen-
tare und echte Erlebnis der Auseinandersetzung und
Begegnung des künstlerischen Subjekts mit dem ge-
stalteten Objekt fühlbar wäre. Lnd damit berühren
wir — wie uns scheint — den wesentlichen Zug die-
ser künstlerischen Existenz. Fast ausschließlich her-
vorragende Vertreter unseres Geisteslebens, der
Wissenschaft. Dichtung und Musik, so Wundt.
Lamprecht, v. Angerer. v. Heß. Eucken, W. Pin-
der, Schmarsow, Kolbenhever, Max Beger — um
nur einige zu nennen — wurden von Lange in Bü-
sten und Medaillen porträtiert. Daß der Künstler
— von Haus aus Wissenschaftler — diesen geisti-
gen Potenzen nicht unterlag, sondern sich ihnen als
Mensch und Bildner gewachsen zeigte, das behaup-
tet ihm einen besonderen Platz in der bildenden
Kunst unserer Tage. In seinen W erken ist noch
einmal jener schwebende Zustand des Gleichge-
wichts zwischen .,Innen" und ,,Außen" verwirk-
licht, der das Wesentliche jeder klassischen Kunst
ausmacht.

Sein Werk umfaßt neben den porträtistischen Ar-
beiten Monumentalplastik (Figuren. Grabmäler,
Denkmäler. Brunnen). Kleinplastik. Keramik und
Graphik.

Lange kam nach München von Leipzig, wo er in
jungen Jahren als Assistent am pathologischen
Institut der Leipziger Universität und als Dozent
für plastische Anatomie in der Kunstakademie
wirkte. Mitten in seiner Llabilitationsarbeit ent-
schloß er sich, umzusatteln. Ohne Schule, als Auto-
didakt, versuchte er sich als Bildhauer und arbei-
tete sich aus der strotzenden Fülle seiner Begabung
in wenigen Jahren zu einem Künstler von Ruf
empor. In der Stadt Klingers bekam er über einen
großen Wettbewerb den preisgekrönten Auftrag
zur Ausführung des Puttenbrunnens vor dem
alten „Kaffeebaum", einer der schönsten Leipziger
Monumentalplastiken (aus Meißner Granit). Das
Museum und die Universität Leipzig erwarben eine
Monumentalfigur .Uuzifer''. eine Reihe von Bü-
sten. Reliefs und Plaketten. Seine Werke waren vor
dem Krieg bei den großen Ausstellungen des In-
und Auslandes vertreten. Wäre er nicht würdig, mit
einem der heute wieder reichlicheren öffentlichen
Aufträge bedacht zu werden?

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