stand, noch roh. das heißt noch nicht dekoriert, und
Seidl erzählte und beratschlagte, wie der Saal ge-
staltet werden sollte. ..Weißt du", sagte er zu Seitz.
..den Plafond, das ist ein ähnlicher wie die Decke
in St. Zeno in Verona, dort ist sie braun und gmalt,
die machen wir aber hell und dann ringsherum
einen schönen grünen Ton und hängen große deko-
rative Bilder drauf, so wie im Bremer Bathaus!"
Jetzt kommt gleich der Lenbach. der ,.Hausherr".
Zuerst kamen bellend der schwarze und der weiße
Spitz herein und kündeten die Ankunft des Fürsten
und gleich ging es los: ,,Ja. das muß der schönste
Saal werden von der ganzen Welt!" — ..Aber, wir
haben ja dazu zu wenig Geld!" sagte Seidl! — „Ah,
das kriegn wir schon! Der Plafond muß rot und
gold und purpur sein, das ganze Firmament muß
'nauf! Man muß an Zauberei glauben! Das macht
alles der Buhdorf er wunderschön! Dann an die
Wand g'hören große Gobelins! Da kopiern wir die
im Clunv in Paris, die sind die allerschönsten, das
wär was für den Herrn von Mann! Gemalt müs-
sen die grad so schön sein! Ringsherum Marmor,
wenn ma keinen ham, nehmen wir Gips und vergoldn
ihn! Bilder g hören rein, Tizians, die kopieren wir!
Die Bühne muß besonders prächtig werden! Da
maln wir einen Fries rüber! Das müssen Sie machen
(zu mir). Uberhaupts, Gold, viel Gold muß da sein!
Gold is Gold, Färb is Dreck!" Nach diesen lapida-
ren Aussprüchen Lenbachs war Seidl doch über-
zeugt, daß auch sowas zu machen geht. ..Ja. ja, ich
glaub, du hast schon recht, und so machen wir 's
auch!" und so wurde es.
Lnd die Eröffnung des Künstlerhauses im Jahre
1900 war das Schönste, was man sehen konnte.
Aber damals fühlte sich Lenbach schon nicht mehr
wohl. Es war fast wie ein Finale für ihn. Aber er
dachte gar nicht daran und war auf dem Feste von
einer entzückenden Jugendlichkeit, alle schönen
Damen bekamen einen Kuß und es waren sehr viel
schöne Damen da!
Es gibt viele Karikaturen über Lenbach. Die besten
waren von Fritz August von Kaulbach in der
Kneipzeitung der Allotria; Lenbach sagte zu
ihm einmal: „Du hättest gar nichts zu malen brau-
chen! Mit deinen Karikaturen wärst du allein ein
ganz Großer!" Darauf war Kaulbach sehr be-
leidigt.
Lenbachs Leben ist mit soviel Anekdoten verknüpft,
die aber schon viel mehr als bloße Anekdoten sind
— Überlegenheit des auf sich selbst gestellten und
auf sich bombenfest vertrauenden Künstlers.
Li den neunziger Jahren wurde Bembrandt neu
herausgezogen und man wurde sich klar über die
große Bedeutung. Aber viele verstanden diesen
noblen Naturalismus nicht. Der Maler Angeli aus
Wien, ein etwas süßlicher Porträtist, der in Wien
sehr viel galt, wahrscheinlich mehr als Lenbach.
war auf Besuch in München und es kam die Sprache
auf Bembrandt. Angeli sagte: ,.Ich weiß nicht, was
s' eigentlich haben mit dem Bembrandt. bei uns
in Wien hält man nicht viel davon!" — ,,Ja, ja, bei
uns in Feldmoching auch net!" antwortete Lenbach.
Den Höhepunkt in der Öffentlichkeit bedeuteten
seine Bisniarckporträts. Die Anbetung, die Lenbach
für Bismarck hatte, hatte ihn dazu gebracht, nicht
allein sein Porträt zu malen, sondern die überra-
gende Persönlichkeit für die Ewigkeit zu prägen.
Bismarck hatte rosige Gesichtsfarbe und gewöhn-
lich ruhige Augen, schlaffe Wangen. So haben ihn
viele andere gemalt. Eigentlich war Bismarck nach
unseren Begriffen unmalerisch, aber was hat Len-
bach daraus gemacht! Und das ging so zu: Bis-
marck lud ihn ein, damit er ihn male. Bei der Sit-
zung saß Bismarck im Lehnstuhl, müde, halbschla-
fend. Lenbach quälte sich furchtbar, seiner eigenen
Aussage nach, und es wollte ihm gar nicht gelin-
gen. Wie er es schon fast aufgeben wollte, klopfte
es an der Tür und eine Depesche wurde Bismarck
überbracht. Im Momente des Lesens veränderte sich
Bismarck, die Augen wurden groß und blitzend, die
buschigen Augenbrauen sträubten sich, der Mund
wurde geschlossen, das Kinn energisch vorgescho-
ben, die Wangeillinien strafften sich. Jetzt hatte
ihn Lenbach, wie er ihn wollte! Und er bannte ihn
fest, so daß Bismarck erstaunt fragte: Ja. bin das
ich?" und Lenbach, überglücklich: ..Ja. Durch-
laucht, so kennen S' Ihnen halt nicht, aber so sind
S wirklich!" Innerlich sagte er sich: „Jetzt hab' ich
dich und jetzt kommst mir nimmer aus!", und
Bismarck war geprägt.
Dann, viele Jahre später, Bismarcks Fall. Lenbach
holt ihn sich nach München, dann die ganz große
Aufmachung: Bismarckempfang in der Allotria,
der Fackelzug der akademischen Jugend vor dem
Lenbachpalais. Lenbach hatte auf der Terrasse sei-
nes Hauses in der Luisenstraße seinen Bismarck
dekorativ aufgebaut. Auf einem kleinen Podium in
der Mitte der Terrasse ragte Bismarck in seinem
schwarzen Rock und weißer Binde und schlapphut-
schwingend wie ein Monument heraus. Unser Fak-
kelzug blieb gerade davor stehen, und wir hörten
eine helle, scharfe Stimme. Ich hörte gerade noch,
wie Bismarck sagte: ,-Ich glaube, meinen Namen in
die Rinde der deutschen Eiche einjeschnitten zu
haben!" Es war ein pompöses Bild mit dem pracht-
vollen Hintergrund der Architektur, Beleuchtung
und Stimmung, wie es eben bloß Lenbach fertig-
brachte.
Man könnte noch kilometerlang diktieren über Len-
bach als Mensch und über seine Kunst, über den
Einfluß seiner geistreichen und humordurchtränk-
ten Persönlichkeit. Eines seiner letzten Worte, kurz
vor seinem qualvollen Tod, soll gewesen sein: ..Ich
habe mich mein ganzes Leben lang gut unterhalten
mit der Kunst, ich habe malen dürfen und bin für
dieses Vergnügen sogar noch bezahlt worden!" Sein
Tod brachte eine große Lücke in die Münchner
Künstlerwelt. Er war ein ganz Großer, als Künst-
ler sowohl wie auch als Mensch, einer von den letz-
ten Rittern.
Das Lenbachpalais ist erhalten durch die Groß-
zügigkeit seiner Frau Lolo. geb. von Hornstein,
und ist in den Besitz der Stadt übergegangen; der
Anbau ist heute Städtische Galerie.
90
Seidl erzählte und beratschlagte, wie der Saal ge-
staltet werden sollte. ..Weißt du", sagte er zu Seitz.
..den Plafond, das ist ein ähnlicher wie die Decke
in St. Zeno in Verona, dort ist sie braun und gmalt,
die machen wir aber hell und dann ringsherum
einen schönen grünen Ton und hängen große deko-
rative Bilder drauf, so wie im Bremer Bathaus!"
Jetzt kommt gleich der Lenbach. der ,.Hausherr".
Zuerst kamen bellend der schwarze und der weiße
Spitz herein und kündeten die Ankunft des Fürsten
und gleich ging es los: ,,Ja. das muß der schönste
Saal werden von der ganzen Welt!" — ..Aber, wir
haben ja dazu zu wenig Geld!" sagte Seidl! — „Ah,
das kriegn wir schon! Der Plafond muß rot und
gold und purpur sein, das ganze Firmament muß
'nauf! Man muß an Zauberei glauben! Das macht
alles der Buhdorf er wunderschön! Dann an die
Wand g'hören große Gobelins! Da kopiern wir die
im Clunv in Paris, die sind die allerschönsten, das
wär was für den Herrn von Mann! Gemalt müs-
sen die grad so schön sein! Ringsherum Marmor,
wenn ma keinen ham, nehmen wir Gips und vergoldn
ihn! Bilder g hören rein, Tizians, die kopieren wir!
Die Bühne muß besonders prächtig werden! Da
maln wir einen Fries rüber! Das müssen Sie machen
(zu mir). Uberhaupts, Gold, viel Gold muß da sein!
Gold is Gold, Färb is Dreck!" Nach diesen lapida-
ren Aussprüchen Lenbachs war Seidl doch über-
zeugt, daß auch sowas zu machen geht. ..Ja. ja, ich
glaub, du hast schon recht, und so machen wir 's
auch!" und so wurde es.
Lnd die Eröffnung des Künstlerhauses im Jahre
1900 war das Schönste, was man sehen konnte.
Aber damals fühlte sich Lenbach schon nicht mehr
wohl. Es war fast wie ein Finale für ihn. Aber er
dachte gar nicht daran und war auf dem Feste von
einer entzückenden Jugendlichkeit, alle schönen
Damen bekamen einen Kuß und es waren sehr viel
schöne Damen da!
Es gibt viele Karikaturen über Lenbach. Die besten
waren von Fritz August von Kaulbach in der
Kneipzeitung der Allotria; Lenbach sagte zu
ihm einmal: „Du hättest gar nichts zu malen brau-
chen! Mit deinen Karikaturen wärst du allein ein
ganz Großer!" Darauf war Kaulbach sehr be-
leidigt.
Lenbachs Leben ist mit soviel Anekdoten verknüpft,
die aber schon viel mehr als bloße Anekdoten sind
— Überlegenheit des auf sich selbst gestellten und
auf sich bombenfest vertrauenden Künstlers.
Li den neunziger Jahren wurde Bembrandt neu
herausgezogen und man wurde sich klar über die
große Bedeutung. Aber viele verstanden diesen
noblen Naturalismus nicht. Der Maler Angeli aus
Wien, ein etwas süßlicher Porträtist, der in Wien
sehr viel galt, wahrscheinlich mehr als Lenbach.
war auf Besuch in München und es kam die Sprache
auf Bembrandt. Angeli sagte: ,.Ich weiß nicht, was
s' eigentlich haben mit dem Bembrandt. bei uns
in Wien hält man nicht viel davon!" — ,,Ja, ja, bei
uns in Feldmoching auch net!" antwortete Lenbach.
Den Höhepunkt in der Öffentlichkeit bedeuteten
seine Bisniarckporträts. Die Anbetung, die Lenbach
für Bismarck hatte, hatte ihn dazu gebracht, nicht
allein sein Porträt zu malen, sondern die überra-
gende Persönlichkeit für die Ewigkeit zu prägen.
Bismarck hatte rosige Gesichtsfarbe und gewöhn-
lich ruhige Augen, schlaffe Wangen. So haben ihn
viele andere gemalt. Eigentlich war Bismarck nach
unseren Begriffen unmalerisch, aber was hat Len-
bach daraus gemacht! Und das ging so zu: Bis-
marck lud ihn ein, damit er ihn male. Bei der Sit-
zung saß Bismarck im Lehnstuhl, müde, halbschla-
fend. Lenbach quälte sich furchtbar, seiner eigenen
Aussage nach, und es wollte ihm gar nicht gelin-
gen. Wie er es schon fast aufgeben wollte, klopfte
es an der Tür und eine Depesche wurde Bismarck
überbracht. Im Momente des Lesens veränderte sich
Bismarck, die Augen wurden groß und blitzend, die
buschigen Augenbrauen sträubten sich, der Mund
wurde geschlossen, das Kinn energisch vorgescho-
ben, die Wangeillinien strafften sich. Jetzt hatte
ihn Lenbach, wie er ihn wollte! Und er bannte ihn
fest, so daß Bismarck erstaunt fragte: Ja. bin das
ich?" und Lenbach, überglücklich: ..Ja. Durch-
laucht, so kennen S' Ihnen halt nicht, aber so sind
S wirklich!" Innerlich sagte er sich: „Jetzt hab' ich
dich und jetzt kommst mir nimmer aus!", und
Bismarck war geprägt.
Dann, viele Jahre später, Bismarcks Fall. Lenbach
holt ihn sich nach München, dann die ganz große
Aufmachung: Bismarckempfang in der Allotria,
der Fackelzug der akademischen Jugend vor dem
Lenbachpalais. Lenbach hatte auf der Terrasse sei-
nes Hauses in der Luisenstraße seinen Bismarck
dekorativ aufgebaut. Auf einem kleinen Podium in
der Mitte der Terrasse ragte Bismarck in seinem
schwarzen Rock und weißer Binde und schlapphut-
schwingend wie ein Monument heraus. Unser Fak-
kelzug blieb gerade davor stehen, und wir hörten
eine helle, scharfe Stimme. Ich hörte gerade noch,
wie Bismarck sagte: ,-Ich glaube, meinen Namen in
die Rinde der deutschen Eiche einjeschnitten zu
haben!" Es war ein pompöses Bild mit dem pracht-
vollen Hintergrund der Architektur, Beleuchtung
und Stimmung, wie es eben bloß Lenbach fertig-
brachte.
Man könnte noch kilometerlang diktieren über Len-
bach als Mensch und über seine Kunst, über den
Einfluß seiner geistreichen und humordurchtränk-
ten Persönlichkeit. Eines seiner letzten Worte, kurz
vor seinem qualvollen Tod, soll gewesen sein: ..Ich
habe mich mein ganzes Leben lang gut unterhalten
mit der Kunst, ich habe malen dürfen und bin für
dieses Vergnügen sogar noch bezahlt worden!" Sein
Tod brachte eine große Lücke in die Münchner
Künstlerwelt. Er war ein ganz Großer, als Künst-
ler sowohl wie auch als Mensch, einer von den letz-
ten Rittern.
Das Lenbachpalais ist erhalten durch die Groß-
zügigkeit seiner Frau Lolo. geb. von Hornstein,
und ist in den Besitz der Stadt übergegangen; der
Anbau ist heute Städtische Galerie.
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