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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Bredt, Ernst Wilhelm: Mehr Wahrheit und Persönlichkeit in Jedermanns Heim, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0051

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März-Heft.

Illustr. kunstgewerb 1. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 35.

gestellten Kunstwerken nur künstlerisch Gebildete oder Vor-
gebildete etwas gelernt; das Volk aber — und dazu gehören
in dieser Hinsicht auch die meisten der oberen Zehntausend —
hat in den Museen nichts weiter als Aufstapelungsplätze meist
unnützer Schätze und Sachen sehen können, durch die hin-
durchzugehen allenfalls ein regnerischer Sonntagvormittag
werth war. Welcher wahre Freund echter Kunst, der in der
Kunst alles andere als Caviar für's Volk sieht, sollte diese
Erscheinung nicht bitter empfinden? Wird nicht der Kunst-
freund, der unter den verstümmelten Werken der antiken
Skulpturensammlungen die Klage über die immer wieder
auftretenden Epochen schändlicher Barbarei nicht wird unter-
drücken können, in den modernen Kunstgewerbemuseen
traurig anmuthende Sammelsuria erblicken, die sich erst füllen
konnten, nachdem trostlose Zeiten die Kunst vom Handwerk
getrennt und damit die Kunst brodlos gemacht hatten ? Muss
auch nicht uns in den Bilder - Galerien und -Ausstellungen
wie dem Anselm Feuerbach »stets ein Gefühl von tiefer
Niedergeschlagenheit, ein Mitleid mit all diesen, wenn auch
selbst mittelmässigen Werken beschleichen, die nun einer
unverständigen, lieblosen Schaulust zu flüchtiger Unterhaltung
dienen müssen«.*) Der Verfasser des »Rembrandt als Er-
zieher« sagt in seiner Betrachtung über Museen: »Es gibt
ein eigentümliches Gesetz der Geschichte, dass die Dinge
sich mit der Zeit in ihr Gegentheil verkehren: man sieht es
an den deutschen Gymnasien, welche das gerade Gegentheil
von den griechischen Gymnasien sind; und man sieht es nicht
zum wenigsten an den heutigen Museen, welche auf den
Namen der Musen gegründet, sich deren Dienste doch viel-
fach hinderlich erweisen. Denn die Musen sind, wohl zu
merken, die Vertreterinnen der schöpferischen, nicht der
registrirenden Geistesrichtung; gerade jene aber werden durch
die heute herrschende Museenwuth in den Hintergrund ge-
drängt; lucus a non lucendo. Museen enthalten (heute) Dinge,
welche aus ihrem organischen Zusammenhange gerissen sind;
in der Kunst ist der organische Zusammenhang aber alles.«
»Die übliche Aufstellung der Gegenstände in den Museen
nach Rubriken ist direkt kunstwidrig, denn ein einzelner
Gegenstand kann nur künstlerisch wirken, wenn er sich einem
grösseren Ganzen ein- und unterordnet; davon ist bei jener
Art von Anordnung keine Rede. Ein Kunstwerk ist wie das
einzelne Wort einer Sprache; es hat nur Werth durch den
Zusammenhang, in welchem es jeweilig steht; in dieser Hin-
sicht gleichen unsere Museen Wörterbüchern, welche die
Worte zusammenhanglos an der Schnur aufreihen; solche
Konglomerate sind zwar gut zum Nachschlagen, aber durch
Nachschlagen in Wörterbüchern hat noch Niemand den Geist
und das Wesentliche einer Sprache erlernt.« Der Vergleich
ist sicherlich äusserst zutreffend.

Die Frage drängt sich uns folglich immer mehr auf, wie
den bis dahin so todten Museen mehr Leben einzuhauchen
sei, wie das einzelne Kunstwerk eine frischere, eindringlichere
Sprache zu uns reden könne als bisher? Wie sind Museen
einzurichten, wenn sie dem ganzen Volke tiefgehende Freude
an allem Schönen verschaffen und das Trachten die Alltäg-
lichkeit durch neue schöne Formen und Bilder zu verklären,
heben — wenn sie mit einem Worte gleich den Theatern
lebendige ästhetische Bildungsanstalten sein sollen ?

Die Antwort ist leicht genug zu finden. Zunächst müssen
Bilder und Bildwerke nicht vollständig getrennt von edlen
kunstgewerblichen Arbeiten aufgestellt werden. Es muss auf
eine möglichste Verschmelzung von Bildergalerie und Kunst-
gewerbemuseum hingestrebt werden — mit Bedacht nur so
weit das eben geht. Die Umgebung eines Kunstwerkes sei

*) Anselm Feuerbach: Ein Vermächtniss. "Wien 1885.

dessen harmonische Ergänzung. Denn es wird natürlich un-
möglich sein, reiche Galerien, wie die Pinakotheken in
München oder die Dresdener Galerie mit kunstgewerblichen
Schätzen so auszustatten, dass sie einer Reihe von prächtigen
aber wohnlichen Gemächern oder stillen Kapellen oder Palästen
gleichen und gleichzeitig den vollen Genuss jedes einzelnen
vorzüglichen Werkes gestatten. Es müssen hier Lenbach's
Worte sehr streng berücksichtigt werden, wenn man sich
nicht durch dieses Nebeneinander gerade einer hässlichen
Entweihung der höchsten Werke der Kunst schuldig machen
will. »Es ist«, sagt Lenbach, »ein grosser Irrthum, zu glauben,
dass ein edles Kunstwerk durch die Nachbarschaft von arm-
seliger Pfuscherarbeit oder selbst wackerer Schulwaare gehoben
werde: Die Stimmung, die ein echter Rafael oder Tizian
erzeugt, ist nicht immer von dem unvorbereiteten Beschauer
so rein und leicht aufzunehmen, dass man den Genuss solcher
Werke erschweren dürfte durch eine unpassende Umgebung,
die das Auge zerstreut und irre macht wo nicht beleidigt
und in vielen Fällen ist Hängen und Hinrichten gleichbedeu-
tend. Wie man ein werthvolles Juwel nicht mit unedlen
Halbedelsteinen umgibt, wenn sie auch zufällig in derselben
Grube gefunden sein sollten, sondern mit ebenbürtigen; oder
dasselbe durch die Fassung mit reinem Golde isolirt, so soll
man auch ein hohes Kunstwerk nicht durch die Nähe geringer
oder gar gemeiner Handwerkereien entwerthen.« Wiederum
dürften auch schwerlich Kunstgewerbemuseen, wie das in
Hamburg oder das Nationalmuseum in München, das noch
am meisten die Dinge in ihrem organischen Zusammenhange

Entwurf unter Verwendung barocker Motive von Th. Walch, Mannheim.
Abbildung Nummer 776.

zeigt, sich so einrichten lassen, dass sie den Karakter von
Aufstapelungsplätzen vollständig verlieren und zu behaglichem,
eingehendem Genuss von Bildern und gewerblichen Kunst-
werken gleichzeitig einlüden. Bei der Umwandlung der
Galerien in allgemeine Museen würde das vorhandene Ober-
licht und das fast vollständige Fehlen von seitlichen Fenstern
 
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