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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Metzger, Max: Ueber moderne Beschläge
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0186

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Oktober-Heft. Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration. Seite 155.

Abbildung Nr. 923. Kaiser-Jubiläums-Ausstellung im Prater zu Wien. Urania - Theater. Architekt Ludwig Neumann, "Wien.

Fresken von Josef Engelhardt, Wien.

die dabei an nichts weniger als an Kunst dachten. Die
Handgriffe sind für den schnellen und sicheren Gebrauch
geschaffen; in wenigen Minuten werden sie von vielleicht
hundert verschiedenen Händen ergriffen. Ein Griff, ein kurzer
Ruck, beides in einem Augenblick —! und die Thüre ist in
der nöthigen Bewegung gewesen. Solche Dinge, die täglich
von Tausenden von Menschen gesehen und benützt werden und
deren einfache praktische Form sich jedem mehr oder minder
einprägt, müssen sicherlich von einem gewissen Einfluss werden!

Es erscheint demnach nicht so schwer, wirklich praktische
Beschläge zu schaffen, sicherlich aber ist es nicht schwer,
originelle Beschläge zu schaffen, wenn man sich über die
kleinen und kleinsten Erfordernisse der Zweckmässigkeit
hinwegsetzt! Das haben wir seither genug erfahren. Man
sehe sich einmal alle die Entwürfe an, die, selbst von den
hervorragendsten Künstlern und Baumeistern, seit den sech-
ziger Jahren bis auf den heutigen Tag entworfen worden
sind. An Schönheit der Form, an reicher Ornamentik, an
»stilgerechter« Ausführung hat es bei diesen Beschlägtheilen
eigentlich nie gefehlt, aber — die Zweckmässigkeit, die leichte
Handhabung —! Man blättere in der »Gewerbehalle«, in den
»Beiträgen zur Förderung der Kunst in den Gewerben« usw.
In der Zeit der Gothikschwärmerei werden uns da Hand-
griffe und Schlüsselgriffe zugemuthet, zu denen auch unbe-
dingt die schwieligen Hände einer rauheren Kulturperiode
gehören, wenn nicht anders die Beschläge nur für Bauern
und Handwerker geschaffen sein sollen; in der Renaissance-
herrschaft finden wir eine »Stilgerechtigkeit«, die ebenfalls
auf besondere physische Beschaffenheit der Hände Anspruch
erhebt. Wir haben uns ja in unserer unterwürfigen Liebe-
dienerei den verschiedensten Unbequemlichkeiten angepasst,
wir haben mit Ausrufen des Entzückens schmiedeeiserne
Handleuchter bewundert und gekauft, die man nirgends keck
anfassen konnte, ohne sich die Finger zu verletzen; wir haben
hochachtungsvoll vor den grossartigen schmiedeeisernen
Treppengeländern mit vielen Ranken und Blumen etc. unsere
Kleider in respektvoller Entfernung gehalten, unsere vor-
nehmen Damen haben auf den Prunktreppen ihre kostbaren

Roben sorgfältigst an sich gerafft, wir haben einander in
liebenswürdigster Höflichkeit auf alle die heimtückischen
Spitzen, Ecken und sonstigen Gefahren unserer Möbel, an
die man im Augenblick manchmal zu denken vergass, auf-
merksam gemacht u.s.w. Trotz alledem wird die Empfindung
niemals geschwunden sein, dass wir uns in reichlichem Ueber-
mass zu Sklaven unserer Gegenstände gemacht hatten, statt
diese selbst unserem Willen und unserer Bequemlichheit unter-
zuordnen. Es ist sicherlich nicht alles, was uns heute in den
Museen als Muster vorgeführt wird, für uns direkt nach-
ahmenswerth. Auch die alten Beschläge sind nicht einfach
durchweg tadellos. Die Einzelheiten und die Technik sollen
wir studiren, die Formen aber nicht ohne weiteres nachahmen.
Wer irgend welche bedeutenden Sammelwerke von Aufnahmen
alter Meisterwerke durchblättert, z. B. Hefner-Alteneck's
»Ornamentik der Schmiedekunst etc.«, der wird sofort die
Bestätigung dieser Worte, speziell in Bezug auf die Beschläge,
finden. Wir dürfen nicht vergessen, dass uns auch nur die
interessantesten und damit auch die »gekünsteltsten« Stücke
: erhalten geblieben sind.

Zur Zeit ist wieder eine gewisse Vorliebe für das blanke
Messing- und Bronze-Beschläge in den Vordergrund getreten.
Es scheint, als ob in unseren Tagen der Neubelebung von
noch nicht kunstgewerblich-erzogenen Handwerkstechniken
auch dem Gürtler, dem Metalldreher, dem Gelbgiesser etwas
von der Gunst des grossen Publikums zufallen soll. Jeden-
falls macht sich in den modernsten Bronze- und Messing-
Beschlägen eine gesunde Fernhaltung von Ueberschweng-
lichkeiten bemerkbar, zugunsten einer einfachen, praktischen
und dabei doch vornehmen Ausbildung. Die Kunstformen
in Bronzeguss finden sorgfältige Ueberarbeitung, zarte Gra-
virungen, Kleinlichkeiten und Süsslichkeiten werden vermieden.
Das muss so sein, wenn wir uns endgültig vom werthlosen
Prunktand, von den Imitationen geschmackloser Geschäfts-
menschen lossagen wollen; denn wir dürfen uns nicht ver-
hehlen , dass auch heute noch der Besteller nicht geneigt
sein wird, mehr für den Beschlag auszugeben, als der Werth
des Möbels nach Verhältniss verlangen kann.
 
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