_~J! b«'ehen nur halbjährlich (Jan.bezw. Juli),
ianlung viertetjährlich für Deutschland Mk.5.-,
Or Oesterr.-Ung. u. das gesammte Ausl. Mk. 5.50.
Nachdruck nur mit spezieller Krlaubniss u. genauer Quellen-Angabe gestattet.
Sämmtliche Original-Illustrationen stehen unseren Lesern zur Verwerthung frei.
Die Zeitschrift ist verbreitet in allen Kulturstaaten. ~ma
Illustrationen u. textl. Beiträge nur an die Schriftleitung in Darmstadt erbeten.
Anfangs jeden Monats erscheint ein Heft.
Nur Sonder-Hefte sind auch einzeln erhältlich.
Buchh.-Vertreter: Eduard Schmidt, Leipzig.
Insertions-Bedingungen am Schluss derZettschr.
X. Jahrg. 1899. -
<~e Leipzig Darmstadt Wien, e~-
April-Heft.
MOPERNE 5TUHL.
an muss einmal gegen Ende eines
Konzertes, eines Vortrages oder dergl.,
wie solche in unseren grossen Sälen
häufig genug stattfinden, beobachten,
Kosten erwiesen sich viel zu hoch. So wurde denn wieder
zu den billigen, eichenfournirten Stühlen zurückgegriffen, die
sich in genau derselben Ausführung in dem Rokoko-Konzert-
saal, dem Renaissance-Festsaal und dem gothischen Gerichts-
saal befinden*).
Sehen wir uns den Allerweltsstuhl einmal näher an!
Vier gerade Beine, die hinteren eckig, die vorderen gedreht,
welche Stellungen die andächtigen Zu- i eine viereckige, scharfkantige, ebene Sitzfläche mit Rohr-
hörer auf den schön in langweilige 1 geflecht, die Lehne ganz gerade, etwas nach hinten geneigt
Reihen gestellten Stühlen einnehmen, und ebenfalls von oben bis unten mit Rohrgeflecht versehen.
Die meisten haben wohl die Faust Es ist derselbe Stuhl, wie man ihn an den Haupt-Umzieh-
zwischen Kreuz und Lehne geklemmt, tagen bei 90 Prozent aller Haus - Ausstattungen im Regen
um dem ersteren eine Unterstützung oder Sonnenschein auf dem Bürgersteig herumstehen sehen
kann, höchstens zeigt er hier oben an der Lehne die obligate
Muschel und an den Ecken z. Th. abgebrochene Knäufe. Das
ist der deutsche Stuhl, den uns vor einigen Jahrzehnten das
es als Erlösung, wenn der Redner etc. geendet, und sind altdeutsche Zimmer bescheert hat und der sich nur wenig
nicht mehr auf den Stühlen zu halten, wenn auch der Vor- verändert bis jetzt erhalten hat und wohl noch geraume Zeit
sitzende noch so vieles hinzuzufügen hat. Ein jeder reckt erhalten wird, als ebenso geduldig ertragenes Foltermittel,
sich und dehnt sich und ist froh, wenn er so bald als möglich wie etwa das tagtäglich nebenan geklimperte »Gebet einer
seine Beine unter einen Tisch stecken kann, der seinem Jungfrau«. Der Möbel-Tischler hat gar keine Ursache, einen
ermüdeten Oberkörper eine immerhin angenehmere Unter- anderen Stuhl herzustellen, der altgewohnte Stuhl wird ja
Stützung bietet, als die Lehne des allerdings ebenso unbe- alle Tage gekauft, er gilt allgemein als fein, höchstens wird
quemen Stuhles, wie der eben verlassene. die Muschel durch das Traillengitter verdrängt oder die Lehne
Der leere Saal mit seinen Massen von Stühlen macht seitlich durch Säulchen verziert,
gerade keinen schönen Eindruck, wiewohl er in modernstem Die oberen Zehntausend dagegen und solche, welche sich
Stile gehalten, an sich nichts Tadelnswerthes enthält. Aber ihrer Lebensstellung entsprechend nach diesen richten müssen,
die Stühle! Bei Ausstattung eines neuen Saalbaues sind sie richten sich englisch ein, der Engländer hat aber in seinen
Zimmern möglichst verschiedenartige Sitzgelegenheiten, damit
*) Der gleiche Stuhl befindet sich übrigens auch in dem erst kürzlich
seiner Bestimmung übergebenen, neuen preussischen Abgeordnetenhause.
2U geben, andere sind mit gekrümmtem Rücken in sich
zusammengesunken, wieder andere sitzen vorne übergebeugt,
die Ellenbogen auf die Kniee gestützt — alle aber empfinden
allerdings ganz neu beschafft, und, wie man mir versichert,
war auch die Beschaffung moderner, der ganzen Saal-Ein-
richtung angepasster Stühle in Aussicht genommen, aber die
ianlung viertetjährlich für Deutschland Mk.5.-,
Or Oesterr.-Ung. u. das gesammte Ausl. Mk. 5.50.
Nachdruck nur mit spezieller Krlaubniss u. genauer Quellen-Angabe gestattet.
Sämmtliche Original-Illustrationen stehen unseren Lesern zur Verwerthung frei.
Die Zeitschrift ist verbreitet in allen Kulturstaaten. ~ma
Illustrationen u. textl. Beiträge nur an die Schriftleitung in Darmstadt erbeten.
Anfangs jeden Monats erscheint ein Heft.
Nur Sonder-Hefte sind auch einzeln erhältlich.
Buchh.-Vertreter: Eduard Schmidt, Leipzig.
Insertions-Bedingungen am Schluss derZettschr.
X. Jahrg. 1899. -
<~e Leipzig Darmstadt Wien, e~-
April-Heft.
MOPERNE 5TUHL.
an muss einmal gegen Ende eines
Konzertes, eines Vortrages oder dergl.,
wie solche in unseren grossen Sälen
häufig genug stattfinden, beobachten,
Kosten erwiesen sich viel zu hoch. So wurde denn wieder
zu den billigen, eichenfournirten Stühlen zurückgegriffen, die
sich in genau derselben Ausführung in dem Rokoko-Konzert-
saal, dem Renaissance-Festsaal und dem gothischen Gerichts-
saal befinden*).
Sehen wir uns den Allerweltsstuhl einmal näher an!
Vier gerade Beine, die hinteren eckig, die vorderen gedreht,
welche Stellungen die andächtigen Zu- i eine viereckige, scharfkantige, ebene Sitzfläche mit Rohr-
hörer auf den schön in langweilige 1 geflecht, die Lehne ganz gerade, etwas nach hinten geneigt
Reihen gestellten Stühlen einnehmen, und ebenfalls von oben bis unten mit Rohrgeflecht versehen.
Die meisten haben wohl die Faust Es ist derselbe Stuhl, wie man ihn an den Haupt-Umzieh-
zwischen Kreuz und Lehne geklemmt, tagen bei 90 Prozent aller Haus - Ausstattungen im Regen
um dem ersteren eine Unterstützung oder Sonnenschein auf dem Bürgersteig herumstehen sehen
kann, höchstens zeigt er hier oben an der Lehne die obligate
Muschel und an den Ecken z. Th. abgebrochene Knäufe. Das
ist der deutsche Stuhl, den uns vor einigen Jahrzehnten das
es als Erlösung, wenn der Redner etc. geendet, und sind altdeutsche Zimmer bescheert hat und der sich nur wenig
nicht mehr auf den Stühlen zu halten, wenn auch der Vor- verändert bis jetzt erhalten hat und wohl noch geraume Zeit
sitzende noch so vieles hinzuzufügen hat. Ein jeder reckt erhalten wird, als ebenso geduldig ertragenes Foltermittel,
sich und dehnt sich und ist froh, wenn er so bald als möglich wie etwa das tagtäglich nebenan geklimperte »Gebet einer
seine Beine unter einen Tisch stecken kann, der seinem Jungfrau«. Der Möbel-Tischler hat gar keine Ursache, einen
ermüdeten Oberkörper eine immerhin angenehmere Unter- anderen Stuhl herzustellen, der altgewohnte Stuhl wird ja
Stützung bietet, als die Lehne des allerdings ebenso unbe- alle Tage gekauft, er gilt allgemein als fein, höchstens wird
quemen Stuhles, wie der eben verlassene. die Muschel durch das Traillengitter verdrängt oder die Lehne
Der leere Saal mit seinen Massen von Stühlen macht seitlich durch Säulchen verziert,
gerade keinen schönen Eindruck, wiewohl er in modernstem Die oberen Zehntausend dagegen und solche, welche sich
Stile gehalten, an sich nichts Tadelnswerthes enthält. Aber ihrer Lebensstellung entsprechend nach diesen richten müssen,
die Stühle! Bei Ausstattung eines neuen Saalbaues sind sie richten sich englisch ein, der Engländer hat aber in seinen
Zimmern möglichst verschiedenartige Sitzgelegenheiten, damit
*) Der gleiche Stuhl befindet sich übrigens auch in dem erst kürzlich
seiner Bestimmung übergebenen, neuen preussischen Abgeordnetenhause.
2U geben, andere sind mit gekrümmtem Rücken in sich
zusammengesunken, wieder andere sitzen vorne übergebeugt,
die Ellenbogen auf die Kniee gestützt — alle aber empfinden
allerdings ganz neu beschafft, und, wie man mir versichert,
war auch die Beschaffung moderner, der ganzen Saal-Ein-
richtung angepasster Stühle in Aussicht genommen, aber die