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Klemm, Gustav Friedrich
Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit: nach den beßten Quellen bearbeitet und mit xylographischen Abbildungen der verschiedenen Nationalphysiognomien, Geräthe, Waffen, Trachten, Kunstproducte u.s.w. versehen (Band 8): Das alte Europa: Mit 6 Tafeln Abbildungen — Leipzig: Verlag von B.G. Teubner, 1850

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https://doi.org/10.11588/diglit.63452#0069
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Körperbeschaffenheit der Griechen.

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Lebensart der Griechen trug jedoch wesentlich dazu bei, diese Formen
zur harmonischen Entwickelung gelangen zu lassen. Avamantios,
ein christlicher Arzt des 5. Jahrhunderts, sagt in seiner Physio-
gnomie: Wenn man den hellenischen und ionischen Menschenschlag
genau betrachtet, so bietet er ziemlich große Manner, die breit,
aufgerichtel, wohlgebaut, von weißer Haut und blond sind. - Sie
haben mittle, wohlgeformte Muskeln, schlanke Schenkel, schönen
Wuchs, einen eiförmigen Kopf, einen starken Nacken, blondes, fei-
nes, weiches Haar, ein viereckiges Gesicht, zarte Lippen, eine gerade
Nase, blaue, feuchte, muntre, viel Feuer enthaltende Augen, wie denn
das hellenische Volk unter allen andern die schönsten Augen hat.
Ein interessantes Gegenstück hierzu bietet der erste Brief des
Aristanetus, eines Schriftstellers des 4. Jahrh.; er sagt von seiner
Lais: Ihre Wangen tragen in dem Gemisch von weiß und roth
den natürlichen Schimmer der Rosen, ihre feinen Lippen sind zart
gespalten und röther als die Wangen. Ihre dunkeln Augenbrauen
haben das reinste Schwarz, der Zwischenraum derselben begranzt
die Augen ebenmäßig. Die Nase ist gerade und der Feinheit der
Lippen angemessen, die Augen sind groß leuchtend, von reinem
Lichte strahlend, das Schwarz darin sind die schwärzesten Pupillen.
Das Weiße ist von Hellem Weiß und die eine hebt den Glanz der
andern Farbe. Das von Natur gelockte Haar gleicht der Hyazin-
thenblüthe. Aphrodites Hande haben sie selbst gescheitelt. Der
Nacken ist weiß und dem Angesicht angemessen. Ihre Gestalt ist
gehörig lang, ohne Gewand gleicht sie einer Statue. Ihr Gang
ist gemessen, doch kurz, und gleicht der vom Winde sanft bewegten
Cypresse oder Palme*).
Indessen ist nicht etwa anzunehmen, daß alle Griechen in sol-
chen Formen dem Fremden entgegentraten; wenn diese scharfge-
schnittenen Profile mit den steilen Nasen, den großen, etwas tieflie-
genden Augen, den gelockten Haaren so oft vorkamen, wie wir sie
noch heute im südlichen Italien finden, so belehren uns doch die
Portraitbüsten, daß es auch andere Formen gab. Ein bekanntes
Beispiel ist der Kopf des Sokrates, dessen Form selbst in unseren
minder verwöhnten Augen allgemein für unschön gelten würde. In
der IconoKiupllltz ßreogus von Visconti finden wir mehrere Gesich-
ter, denen wir noch jetzt selbst in deutschen Städten oft genug begeg-
nen, z. B. die des Aesop, Bias, Platon (?I. 18.), Menander
(kl. 2.), Poseidippos (das.), Solon und Periander (kl. 9.), und
Anderer, während die Köpfe von Alcibiades (kl. 16.) und Ale.ran-
der (kl. 39.) den künstlerischen Formen sich mehr nähern **).
*) ^.ristaeneti epi'stolas sä. koissonass 1. I. dazu Kruse's Hellas 1.85.
**) Die dritte Tafel dieses Bandes enthalt einige altgriechische, den
Vasenbildern entnomnene Gesichtöumrisse. Ueber die Neugriechen s. Morgenl.
und Abend. I. 323.
 
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